Lohn-Dumping:Ahnungslose Chefin

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Viele Menschen haben einen 36-Jährigen ausgenutzt und betrogen. Der erste Fall wurde nun vor dem Amtsgericht verhandelt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Unternehmerin verweigert Angestellten Mindestlohn

Von Johanna Feckl, Ebersberg

"Unwissenheit schützt vor Strafe nicht." Dieser bekannten Volksweisheit folgten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Staaten des damaligen deutschen Bundes, indem sie einen Passus mit diesem Tenor in ihre Strafgesetzbücher aufnahmen. Eine 57-jährige Selbstständige aus dem Landkreis war mit diesem Sprichwort bislang wohl nicht bekannt. Deshalb musste sie sich nun vor dem Ebersberger Amtsgericht wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten verantworten.

"Ich wusste nicht, dass ich tarifgebunden bin", verteidigte sich die 57-Jährige nach Verlesung der Anklageschrift. Über Jahre hinweg hat sie den Angestellten ihres Reinigungsunternehmens weniger Lohn bezahlt, als es der gültige Branchentarifvertrag vorsieht. Dadurch hat sie auch zu wenig Arbeitgeberbeiträge in die Sozialversicherungen ihrer Angestellten geleistet. Seit 2007 gibt es einen Tarifvertrag für Glas- und Gebäudereinigungsunternehmen. In den ersten Jahren lag das von der Angeklagten entrichtete Entgelt noch über dem tariflichen Mindestlohn. In den vergangenen Jahren, nachdem der Tarifvertrag stetig angehoben wurde, zahlte die Angeklagte aber irgendwann zu wenig.

Richterin Vera Hörauf zeigte kein Verständnis für die Rechtfertigung der 57-Jährigen. "Wenn man ein Unternehmen führt, dann muss man sich auch über die gesetzlichen Bedingungen informieren." So ganz einzusehen schien die Angeklagte ihr Fehlverhalten trotzdem nicht. Einerseits zeigte sie sich einlenkend: "Da möchte ich Ihnen vielleicht sogar Recht geben." Und andererseits beharrte sie darauf, dass sie keiner Innung angehöre und demnach über die bloße Existenz eines Tarifvertrags gar nichts wissen konnte. Hörauf blieb unbeeindruckt und verwies abermals auf die Pflicht, sich als Arbeitgeberin über die gesetzlichen Bestimmungen ihrer Branche auf dem Laufenden zu halten.

Der Verteidiger hielt seiner Mandantin zu Gute, dass sie ihren Angestellten immer die in den jeweiligen Arbeitsverträgen festgehaltenen Arbeitsstunden bezahlt hatte, selbst wenn diese nicht alle erbracht wurden. Das war aber nicht auf die Gutmütigkeit der Angeklagten zurückzuführen, wie sie selbst zugab. "Ich wusste auch nicht, dass man die geleisteten Arbeitsstunden aufschreiben muss", sagte sie. Denn eigentlich müssen für die individuell erbrachten Arbeitsstunden auch monatlich individuelle Löhne gezahlt werden, und nicht ein fixes Monatsgehalt.

Die Angeklagte zeigte Einsicht für ihre Informationspflicht, sodass sie nun einen Steuerberater beschäftige und sich regelmäßig und gewissenhaft über die gültigen Tarifverträge informiere, wie ihr Anwalt dem Gericht mitteilte. "Sie hat ihr Lehrgeld bezahlt." Drei von ehemals acht Auftraggebern hätten das Vertragsverhältnis mit der Reinigungsfirma im Laufe der Prüfungen durch die Zollbehörden gekündigt. Und auch die Nachforderungen zur Sozialversicherung wären mitsamt der Säumniszuschläge für ein Einzelunternehmen eigentlich "nicht zu stemmen".

Sowohl Richterin Hörauf als auch die Staatsanwaltschaft ließen sich von den Argumenten des Verteidigers überzeugen, wonach seine Mandantin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Straffrei ging die 57-jährige Angeklagte deshalb aber nicht aus. Die Unternehmerin wurde zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu jeweils 65 Euro verurteilt.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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