Lesung:Der Wald im Buchladen

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Ursula Hahnenberg nimmt ihre Zuhörer mit in den Ebersberger Forst und sorgt für Gänsehaut-Momente

Von Carolin Schneider, Ebersberg

Es riecht nach frischem Holz im "Buch Otter". Ob das an dem neuem Holzfußboden liegt, den der Ebersberger Buchladen erst vor wenigen Monaten bekommen hat, an den Skulpturen aus Lindenholz, die im ganzen Raum verteilt sind, oder daran, dass Autorin Ursula Hahnenberg die Anwesenden mit ihrer Lesung auf einen Streifzug durch den Ebersberger Forst mitnimmt, ist indes nicht ganz klar.

Der Geruch passt jedenfalls bestens in die Szenerie des Abends. Wenn sie die Augen schließen, können sich die Zuhörer fast vorstellen, mit Julia Sommer im Wald zu stehen. Julia ist die Protagonistin in "Wolfstanz", dem neuen Buch der Forstinninger Autorin Ursula Hahnenberg. Wie auch schon im Vorgänger "Teufelstritt" wird die Försterin Zeugin eines Mords im Ebersberger Forst. Im zweiten Band wird ein Mädchen ermordet, man vermutet, es sei der Wolf gewesen, der im Wald gesichtet wurde. Die Dorfgemeinschaft von Grafenried, einem erfundenen Städtchen am Rande des Forsts, ist in heller Aufregung. Doch Julia will nicht daran glauben, dass der Wolf es ist, der im Wald sein Unwesen treibt. .

. Mit ruhiger Stimme beginnt Hahnenberg den Anfang des Buches zu lesen. Es ist mitten in der Nacht, ein Wildunfall scheucht die Försterin aus dem Bett. "Wie Teufelstritt beginnt auch Wolfstanz mit einem toten Reh", sagt Hahnenberg. Eigentlich habe sie ihr zweites Buch in einem Büro anfangen lassen wollen, aber Julia sei eben einfach kein Büromensch. "Ich bin froh, dass meine Lektorin das durchgehen lässt. Sie ist Vegetarierin", erzählt die Autorin und lacht. Ein dunkler Wald, ein totes Reh, Nebel, der zwischen den Bäumen wabert. Die Zuhörer im Buchladen halten ihren Atem an. Hahnenberg fesselt mit ihrer Stimme, die sich je nach Bedarf verändert, mal ganz gehetzt, mal ruhig, mal mit einem leichten bayerischen Akzent. Da plötzlich, ein komisches Geräusch in der Dunkelheit. Das Publikum schaut die Autorin gespannt an, doch die legt das Buch zur Seite. Die Zuhörer atmen geräuschvoll aus. "Der Wolf", entfährt es einer Dame, fast ehrfurchtsvoll.

Mehrere kurze Stellen aus "Wolftanz" liest Hahnenberg, um die verschiedenen Charaktere des Kriminalromans vorzustellen. In der Geschichte geht die Autorin, selbst Försterin, merklich auf: An ruhigen Stellen lehnt sie sich in ihren Sessel zurück, wenn es spannend wird, beugt sie sich vor, schaut das Publikum an und erzählt das Geschehen mehr, als dass sie liest. Doch immer nur genau so viel, dass die Zuschauer neugierig auf den Fortgang des Buches werden, und nicht genug, um die Spannung zu nehmen. "Aber der Wolf war es schon mal nicht, oder?" fragt eine Zuhörerin am Ende der Lesung. "Psst, das darf sie doch nicht verraten", ruft eine andere empört. Mit einem Lächeln auf den Lippen klappt Ursula Hahnenberg das Buch zu und legt es weg.

Dass die Autorin als studierte Forstwissenschaftlerin bestens über den Wald Bescheid weiß, merkt man dem Buch an. Die Szenen, die im Ebersberger Forst handeln, sind ausgeschmückt mit Beschreibungen und Beobachtungen, die nur jemand liefern kann, der viel Zeit zwischen den Bäumen verbringt.

Auch der Moosacher Künstler Constantin Cibu verbringt viel Zeit mit Holz, allerdings mit bereits totem. Die Skulpturen, die er in der Buchhandlung zeigt, sind geschwungene Kompositionen aus Lindenholz. Die Gäste sind fasziniert von den Rundungen und glatten Oberflächen der Werke. "Das muss ich anfassen", sagt eine Frau und fährt vorsichtig mit der Hand darüber. "Wie ein Handschmeichler", stellt ein Besucher fest. Cibu schaut stolz auf seine Kunstwerke, die den Laden in allen Größen schmücken. "Ich weiß nie, was am Ende rauskommt", erklärt er. "Jedes Holz hat seine eigene Richtung." So stehe die endgültige Form der Skulptur erst ganz am Ende fest.

Mit aussagekräftiger Mimik und kleinen Gesten liest Ursula Hahnenberg aus ihrem Krimi "Wolfstanz", der im Ebersberger Forst spielt. (Foto: Christian Endt)

Eine Besucherin ist jedoch immer noch im Wald mit Julia Sommer. "Ich bin jetzt richtig gespannt, wie die Geschichte weiter geht", sagt sie. Doch wer die ganze Geschichte um den Wolf im Ebersberger Forst erfahren möchte, muss selbst weiterlesen. Im nächsten Jahr ist bereits eine Fortsetzung geplant. "Ich kann Julia einfach noch nicht gehen lassen", sagt Hahnenberg, die bereits an der Geschichte arbeitet. Der dritte Band wird in Berlin geschrieben, denn dort lebt die Autorin nun. Julia wird aber weiter in Grafenried leben. So hat Ursula Hahnenberg neben Familie und Freunden auch noch einen weiteren Grund, ab und zu ihre Heimat Forstinning zu besuchen.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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