Lehrstellen-Markt:Mühselige Nachwuchssuche

Lesezeit: 2 min

Für die Auszubildenden ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt nahezu paradiesisch, sehr viel negativer fällt die Bilanz der Betriebe aus: Sie klagen über einen deutlichen Lehrlingsmangel

Von Petra Schnirch, Freising/Ebersberg

Sie werde immer wieder auf die "paradiesischen" Zustände in ihrem Bezirk angesprochen, sagte Karin Weber, Chefin der Arbeitsagentur Freising, am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Sie selbst würde das Wort so nicht in den Mund nehmen. "Es kommt immer auf den Blickwinkel an." Für die Auszubildenden ist die Situation tatsächlich ausgesprochen gut. Nur 30 Bewerber hatten in den vier Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding und Freising bis Ende September keinen Ausbildungsplatz gefunden. Dem standen 517 unbesetzte Stellen gegenüber.

Im Landkreis Ebersberg waren lediglich sechs junge Leute noch unversorgt, drei mehr als vor einem Jahr. Insgesamt 619 Bewerber hatten sich innerhalb des Berufsberatungsjahres bei der Arbeitsagentur gemeldet. Die Zahl der Angebote lag bei 871, das waren 82 mehr als ein Jahr zuvor. Unbesetzt blieben bis Ende September 158 Plätze. Stärkste Branche ist der Handel. Interessant ist laut Weber aber auch, dass sich in Ebersberg viele junge Leute für den Beruf des Schreiners interessieren. Die Agentur habe 28 zusätzliche Stellen gewinnen können, die auch bis auf drei besetzt werden konnten.

Ebersbergs Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger sprach von einer "komfortablen Situation" für die Jugendlichen im Landkreis. Derzeit gebe es 2381 Betriebe, und ihre Zahl wachse stetig. 30 bis 50 kämen jedes Jahr dazu. 281 Ausbildungsverträge seien im Handwerk bisher abgeschlossen worden. Zum Jahresende werde man wohl wieder die Vorjahreszahl von etwa 300 erreichen. Insgesamt gebe es im Landkreis 701 Azubis.

Der stellvertretende Direktor des Ebersberger Schulamtes, Wolfgang Michalke, äußerte die Hoffnung, dass sich der aus seiner Sicht positive Trend fortsetzt: Bei 350 bis 400 Schulabgängern der neunten und zehnten Klassen hätten bisher im Oktober zwischen 20 und 25 noch keine Perspektive gefunden, in diesem Jahr seien es deutlich weniger. Auffällig sei, dass viele der M-Zug-Absolventen anschließend auf die Fachoberschule gehen, ihr Anteil liege bei zwischen 33 und 50 Prozent.

Insgesamt fiel die Bilanz auf Seiten der Betriebe eher negativ aus. Sowohl im Handwerk als auch im Handel gibt es einen deutlichen Fachkräfte- und Azubi-Mangel. Seit acht Jahren sei die Jugendarbeitslosigkeit in der Region besiegt, konstatierte der Erdinger Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger. Auch durch Flüchtlinge lasse sich dieses Problem für die Betriebe vorerst nicht lösen, sagte sein Freisinger Kollege Martin Reiter. Das Bauwesen, das sich bei der Suche nach Lehrlingen seit Jahren besonders schwer tut, sei in ihren Herkunftsländern meist nicht sehr angesehen. Hoch im Kurs steht bei jungen Männern dagegen der Kfz-Mechatroniker.

Kritisch ist auch die Lage im Handel. "Es ist mühselig", bilanzierte Florian Kaiser von der IHK München und Oberbayern. Der Trend zu weiterführenden Schulen und zum Studium sei ungebrochen. Im Landkreis Ebersberg gab es 290 Neu-Abschlüsse, das entspricht in etwa dem Wert des Vorjahres. Mit Kampagnen versuche man, der dualen Ausbildung wieder einen größeren Stellenwert zu verschaffen. "Wir hoffen, das Rad drehen zu können."

Die Berufsschule zog ebenfalls Bilanz: Das Berufsschulzentrum Freising besuchen derzeit 2539 Schüler. Dort werden in speziellen Klassen auch 120 Jugendliche ohne Lehrstelle unterrichtet. Sie kommen zum Teil aus schwierigen Verhältnissen und gelten als noch nicht geeignet für eine Ausbildung. "Viele brauchen einfach ihre Zeit", sagte Christine Höfler als Vertreterin des Berufsschulzentrums.

Karin Weber betonte, dass die Arbeitsagentur sich bemühe, auch junge Leute in schwierigen Situationen zu unterstützen. "Unsere Devise ist: Kein Jugendlicher darf verloren gehen." Ein Beispiel ist das Modell der "assistierten Ausbildung". Die Azubis erhalten Nachhilfe und sozialpädagogische Betreuung. 60 junge Leute im Agenturbezirk nutzen dieses Angebot. Etwa 20 Plätze sind laut Harald Brandmaier, Leiter der Berufsberatung, noch frei. "Das ist ein gutes Instrument", die Jugendlichen würden aber auch gefordert.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: