Kritik:Gute Miene zu Mai-Ling

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Warum lacht man über die böse Satire von Gerhard Polt? Zwei Wegbegleiter des Kabarettisten und eine Doktorandin geben in Vaterstetten Antworten - mit Musik, Witz und Wissenschaft

Von Korbinian Eisenberger

Mai-Ling war nicht ganz billig: "2785 Mark ab Bangkok Airport." Und dann ist sie auch noch drei Zentimeter länger angekommen als bestellt, jetzt passt sie nicht ins Kinderbett. Im vielleicht berühmtesten Sketch des Satirikers Gerhard Polt geht es um den Menschen Mai-Ling, eine Frau aus Asien, oder wie es im Stück heißt, um einen "Import". Geschrieben klingt das ganz schön heftig. Wenn aber Gerhard Polt neben einer Asiatin sitzt und über sie spricht, als wäre sie eine Ware, dann ist das für den Zuschauer komisch. Dann lachen die Menschen, manche kriegen sich kaum ein.

So war das auch am Donnerstagabend in Vaterstetten. Gerhard Polt selbst war wie angekündigt nicht dabei, dafür waren zwei seiner langjährigen Weggefährten gekommen, Hans-Christian Müller und Michael Well. Begleitet wurden sie von einer jungen Frau, die sich seit einigen Jahren mit Polts Satire-Techniken beschäftigt. Claudia Pichler ist Literaturwissenschaftlerin und hat eine Doktorarbeit über Polt geschrieben. Mit Gedanken darüber, warum die Leute sich über Polts Stücke so freuen können. Über Szenen, in denen einer erzählt, dass er seiner Mai-Ling gnädigerweise nicht alle Essstäbchen verbrannt hat. "A paar hab' ich ihr g'lassen, da kann's dann Mikado spielen."

Drei Gaudibrezen, und die kleinste hält das größte Instrument: Claudia Pichler beim gemeinsamen Auftritt mit Michael Well (am Horn) und Hans-Christian Müller (Gitarre) im Gasthaus "Landlust". (Foto: Korbinian Eisenberger)

Im Vaterstettener Wirtshaus "Landlust" ging es musikalisch zu und reichlich unterhaltsam, was fast zu erwarten war bei der Besetzung: Müller erzählte pointierte Anekdoten von früher, als er mit Gerhard Polt und der Schauspielerin Gisela Schneeberger das Bayernland jahrelang mit der TV-Serie "Fast wia im richtigen Leben" bereicherte. Michael Well, der Polt mit der Biermösl-Blosn Jahrzehnte auf der Bühne begleitet hat, zeigte einen schneidigen Stepptanz, blies ins Alphorn und sang Gstanzl - man sah ihm zu keiner Zeit an, dass er im Oktober 60 wird.

Knapp 60 Gäste in der Landlust klatschten und johlten. Das Besondere an diesem Abend waren sicherlich die Erkenntnisse zum Innenleben des Poltschen Humors. Die waren nämlich den wenigsten hier in der Landlust bekannt. Und die kamen vor allem von der Wissenschaftlerin.

Warum lacht man über Polt? Die Figuren, in die Polt schlüpft, lassen sich ja gerne über Andersdenkende oder woanders herstammende Menschen aus. "Sie sagen aber viel mehr über sich selbst", sagte Pichler. Polt alias Herr Grundwürmer sagt etwa über Mai-Ling: "Sie schmutzt nicht, wie der Asiate an und für sich überhaupt nicht schmutzt." Polt macht hier zur Satire, was andere Menschen bis heute ernst meinen: Man begegnet einer einzigen "reinlichen" Asiatin und schließt daraus, "dass der Asiate generell" viel Wert auf Hygiene legt. Das Ganze garniert mit einem zu kleinen Kinderbett und Mikadostaberl. Pichler dazu: "Die Banalität erhöht das Grauen in der Wirkung der Satire."

Die Gefahr bei Satire - gerade auch bei Polt - ist, dass manche sie nicht als solche erkennen oder erkennen wollen. Auch dafür hat Pichler eine einleuchtende Begründung: "Unter der kleinsten Steppdeck'n, kann der größte Depp steck'n", sagt sie. Pichler, Jahrgang 1985, ist im Westen Münchens aufgewachsen, und spricht trotzdem ein ähnlich feines Bairisch wie Polt. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit der "Fremdheit" (so auch der Titel der Arbeit) bei Polt. In der Landlust ging es aber auch um die Eigenheiten der Poltschen Sprache, auch darüber gab es viel zu erzählen.

Um seine Sprachraffinesse zu verstehen, hilft das Stück "Bad Hausen", in dem Polt als Bürgermeister in Trachtenjacke auftritt und einen Luftkurort anpreist. Es wird deutlich, dass der Bürgermeister seine Ortschaft größer machen will, als sie in Wirklichkeit ist. Um Touristen anzulocken, wirbt er mit Freizeitaktivitäten wie "Weißwurschting", "Freebenching" (auf einer Bank im Freien sitzen) und "Mushroomsearching" (Schwammerlsuchen). Warum ist das komisch? Polt spielt hier mit den Gegensätzen von Ziel und Wirkung. "Da will jemand weltmännisch rüberkommen", sagte Pichler. "Durch die englischen Begriffe wirkt es aber umso provinzieller."

Dann wird aufgespielt in der Landlust: Well bläst das Horn, Müller zupft die Gitarre, und die Frau auf der Bühne nimmt sich das mächtigste Trumm von allen: Die Tuba, 14 Kilo Kampfgewicht, mit Knöpfen, von denen einer so groß ist wie ihre ganze Hand. Ganz eindeutig: Da hat es eine auf die Schwergewichte der Szene abgesehen.

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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