Kritik:Der große Knall der Kleinkunst

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Auftritt der "Science-Busters" im Alten Kino in Ebersberg

Von Friedhelm Buchenhorst, Ebersberg

Guter wissenschaftlicher Unterricht ist von unschätzbarem Wert, ist doch die Wissenschaft, um mit Immanuel Kant zu sprechen, das Tor zur Philosophie. Möglicherweise ist das auch der Hintergedanke der "Science Busters", also frei übersetzt: der "Wissenschafts-Bolzen", die am Samstag im ausverkauften Alten Kino in Ebersberg auftraten. Im Gepäck hatten sie ihr aktuelles Programm "Warum landen Asteroiden immer in Kratern?" - eine Mischung aus Fernsehmoderation und lustigem Physik- und Biologieunterricht. Die hier als Trio auftretende Gruppe bestand aus dem Kabarettisten Martin Puntigam, dem Astronomen und Wissenschaftsblogger Florian Freistetter und dem Molekularbiologen Helmut Jungwirth. Gefeiert wird nebenbei auch das 10-jährige Bestehen der mittlerweile schon vielfach ausgezeichneten - unter anderem 2016 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis - Science Busters.

Auf der Bühne verkürzt schon lange vor Beginn der Vorstellung eine Videoleinwand mit vorbeiziehenden Symbolen - Periodensystem, Planeten, Doppelhelix, Laborratten, Zentralnervensystem, Astrolabium und Strukturformeln - sowie sanfter Hintergrundmusik die Wartezeit und lässt schon hier vermuten, dass die Besucher es mit medientechnischen Profis zu tun haben, die auf der Klaviatur moderner Kommunikation alle Register beherrschen.

Die zentrale Figur auf der Bühne ist Kabarettist Puntigam, der in rosa Glitzer-Outfit und nackenlanger Gelfrisur im Wiener Dialekt den schlagfertigen Moderator spielt und mit seinen Fragen und Zwischenbemerkungen für die zahlreichen Lachmomente sorgt. Links und rechts neben ihm sitzen, stehen und agieren wie Trabanten als befragte Experten die beiden Naturwissenschaftler. Nebst gegenseitiger Seitenhiebe übersetzen sie dem Publikum ihr Fachchinesisch - didaktisch gekonnt und manchmal auch oberlehrerhaft. Jeder Schulpolitiker hätte hier laut "Bravo!" gerufen, Harald Lesch, der berühmte naturwissenschaftliche Welterklärer, hätte bestimmt seine Freude gehabt.

Der adliger Wurzel entstammende und titelbewusste Universitätsprofessor Jungwirth, dessen Ur-Ur-Ur-Großonkel einer der österreichischen Heerführer 1866 in der Schlacht bei Königgrätz gewesen sein soll, lässt wissen, dass die Mikrobiologie die wichtigste Wissenschaft überhaupt ist. Auch ist sie uns viel näher als etwa diese langweiligen Schwarzen Löcher irgendwo weit draußen im Weltall. Als Beweis dient hier das schwarze Abflussloch in der Spüle, ein Eldorado mikrobiellen Lebens. Der nicht weniger lebendige Bruder des Abflusslochs ist der Küchenschwamm, und die Versuchsreihe auf der Videoleinwand zeigt sehr anschaulich das reiche kulturelle Leben in diesem Biotop.

Ganz anders der Thüringer Dr. Freistetter, dessen Vorfahren in Königgrätz gegen die Österreicher gekämpft haben. Auf dem T-Shirt trägt er ein Konterfei von Galileo Galilei mit Che-Guevara-Barett, ist also damit aus der Sicht von Prof. Jungwirth nur Prolet und Revoluzzer. Er findet Schwarze Löcher faszinierend und kann auch auf der Bühne im Rollenspiel ein solches unter Rückgriff auf Begriffe wie "Ereignishorizont", "Fluchtgeschwindigkeit" und "Lichtgeschwindigkeit" überzeugend darstellen.

Freistetters Lieblingsthema aber sind die Asteroiden. Die Besucher erfahren einiges über Impaktmechanik und auch darüber, wie die Asteroidengefahr gebannt werden kann, nämlich durch einen ordentlichen Lichtstrahl. Die lokale asteroide Einschlagswahrscheinlichkeit hängt von der Größe des betrachteten Gebietes ab.

Jungwirth doziert jetzt über die Glutenunverträglichkeit, vulgo Zöliakie, und deren kulturhistorische und gastralphysiologische Hintergründe. Hier geht es dann auch um die lustige Frage, ob es glutenfreie Hostien gibt. Das Thema des Abendmahls und der Kommunion wird hier freilich nur auf eine materiale Ebene reduziert und zur Lachnummer gemacht, statt es in seiner symbolischen Bedeutung zu würdigen. Jedenfalls sind auf der Videoleinwand sogar gelbe und braune Stoffwechselendprodukte zu sehen. Durch das Publikum geht hier ein leichtes Raunen, und so mancher mag sich freuen, dass die Technik der olfaktorischen Informationsübertragung noch nicht sonderlich entwickelt ist.

Ach ja, wie war das noch mit dem Asteroiden und dem Krater? Ganz einfach, ein Asteroid fällt nicht auf die Erde, beim Eintritt in die Atmosphäre nennt man ihn bereits Meteorit.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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