Kommunalwahl 2020:Chef gesucht

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In zwei Jahren endet die Amtszeit von Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer. Wer sein politisches Erbe antreten soll, ist nicht nur in seiner eigenen Partei völlig ungewiss

Von Wieland Bögel, Ebersberg

War das schon eine Bewerbungsrede? Auf jeden Fall ließ CSU-Ortsvorsitzender Alexander Gressierer auf der Jahreshauptversammlung seiner Partei die wichtigsten Probleme und Herausforderungen für Ebersberg in den kommenden Jahren Revue passieren. Es ging um die Wohnungsknappheit, die schwierige Frage, wie die Kreisstadt vom Verkehr zu entlasten sei und ob die Bürger über Lösungsvorschläge abstimmen sollten. Gressierers Antwort war "ja", ausdrücklich verwies er darauf, dass dies auch die Meinung von Bürgermeister Walter Brilmayer sei.

Was nur aber in diesem Zusammenhang eigentlich keine Rolle spielt: Denn sollte es tatsächlich einmal zu einem Bürgerentscheid zum Thema Umfahrung für Ebersberg kommen, Brilmayer wäre da schon nicht mehr im Amt. Aus Altersgründen muss er seinen Schreibtisch 2020 räumen, laut Gesetz dürfen bayerische Bürgermeister bei Amtsantritt ihren 67. Geburtstag nicht überschritten haben. Für Brilmayer wäre dann nach vier Amtszeiten und 26 Jahren als Bürgermeister Schluss, was die Frage aufwirft, wer sein politisches Erbe antreten soll - besonders für die CSU eine wichtige Angelegenheit. Stellt sie doch seit 1972, als Brilmayers Amtsvorgänger und Parteifreund, der spätere Landrat Hans Vollhardt seine erste Bürgermeisterwahl gewann, die Chefs im Rathaus.

Die, das müssen auch politische Gegner zugeben, durchaus gute Arbeit geleistet haben; die vergangenen 46 Jahre waren nicht die schlechtesten für die Kreisstadt. Nicht nur was wichtige Projekte betrifft - in den vergangenen Jahren etwa die Umgestaltung der Altstadtpassage samt Veranstaltungssaal. Auch blieb Ebersberg von größeren Skandalen und Fehlplanungen verschont. Weder wurden, wie etwa in Vaterstetten, Millionen Euro in letztlich nutzlose Entwürfe für die Ortsentwicklung versenkt, noch sank der Umgangston in der Stadtpolitik auf ein Niveau, wie man es in der Vergangenheit aus Grafing kannte - die Nachbarstadt musste stattdessen bei kontroversen Debatten gelegentlich als Negativbeispiel herhalten, wie man es in Ebersberg nicht machen wollte. Die einzigen etwas größeren Aufreger - die nun auch schon einige Jahre zurückliegen - waren daher auch eher Skandälchen und der bevorstehenden Kommunalwahl geschuldet: Der Streit vom Sommer 2013 darüber, ob bei der Vergabe von Einheimischenbauland alles mit rechten Dingen zugegangen war, versandete schnell, als die Kommunalaufsicht im Landratsamt dies bejahte. Und, ebenfalls 2013, als SPD und Grüne die Pachtlösung für den neuen Wertstoffhof als Geldverschwendung kritisierten.

Ansonsten geht es in der Ebersberger Politik geradezu außergewöhnlich konstruktiv zu - was sicher nicht nur, aber doch auch zu einem nicht unwesentlichen Teil an der Verwaltungsleitung, also dem Bürgermeister liegt. Walter Brilmayer wird oft nachgesagt, bei seiner Sitzungsleitung merke man den früheren Lehrer - was nur zum Teil ein Scherz ist. Denn tatsächlich kann eine typische Ebersberger Ausschusssitzung gelegentlich Züge einer Schulstunde annehmen. Und wenn dabei immer noch nicht alle Fragen beantwortet sind, ist es in Ebersberg guter Brauch, die ganze Sache noch mal zu verschieben, bis die Fraktionen in Ruhe darüber geredet haben und mit neuen Vorschlägen kommen. Was für die Verwaltung sicher gehörigen Mehraufwand bedeutet - in den Gremien jedoch allermeistens zu großen Mehrheiten und fast nie zu dem Gefühl, übervorteilt worden zu sein, führt und damit letztlich auch zu der besonderen Gelassenheit und Kooperation in der Ebersberger Kommunalpolitik.

Deren Wert betonte auch Gressierer in seinem Vorstandsbericht, im Zusammenhang mit dem kontroversen Thema Umfahrung mahnte er "eine sachliche und zielorientierte Auseinandersetzung" an. Egal wie die Entscheidung am Ende ausfalle, wichtig sei doch "dass wir danach noch Politik machen können". Also doch eine Bewerbungsrede? Ein Bekenntnis, die diplomatische und ausgleichende Art des Amtsinhabers fortsetzen zu wollen?

So einfach ist es bei der Ebersberger CSU nicht. Denn zwar haben die Christsozialen bereits im vergangenen Jahr, als Gressierer mit damals 22 Jahren zum neuen Ortsvorsitzenden gewählt wurde, ihren Anspruch auf den Chefsessel im Rathaus bekräftigt - wer diesen indes einfordern soll, dazu blieb man betont vage. Eine Arbeitsgruppe soll sich mit der Frage des geeignetsten Kandidaten befassen, Namen wurden nicht genannt - und werden es bis heute nicht.

Auf Nachfrage - bei der Jahreshauptversammlung war die Bürgermeisterwahl schon fast auffällig kein Thema - bestätigt der CSU-Ortsvorsitzende lediglich, dass die Arbeitsgruppe inzwischen die Arbeit aufgenommen habe. Es gebe auch eine "positive Entwicklung", man werde auf jeden Fall einen Kandidaten oder eine Kandidatin finden. "Es gibt welche, die es im Kreuz hätten", sagt Gressierer, nun gelte es, daraus den einen oder die eine zu finden, deren Name dann auf dem Stimmzettel stehen soll. Mehr wolle er derzeit aber noch nicht sagen, aber spätestens ein Jahr vor der Wahl soll der Bewerber oder die Bewerberin präsentiert werden.

Wer so lange nicht warten will, kann sich umschauen, wer aus den Reihen der CSU denn für das höchste Amt der Kreisstadt in Frage käme - eine Frage übrigens, die bereits 2013 diskutiert wurde, als Walter Brilmayer für die Nachfolge des wegen Krankheit zurückgetretenen Landrats Gottlieb Fauth im Gespräch war. Weit oben auf der Liste damals stand Stadträtin Susanne Luther, die nicht nur Erfahrung in der Kommunalpolitik mitbringt, sondern als Leiterin des Instituts für Internationale Zusammenarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung die Voraussetzungen dafür, auch eine Stadtverwaltung leiten zu können - falls sie ihren jetzigen Beruf dafür aufgeben würde.

Langjährige Erfahrung in der Stadtpolitik bringt auch Martin Schedo mit, er ist außerdem Fraktionssprecher seiner Partei, was oftmals die Vorstufe zur Bürgermeisterkandidatur ist. Zudem ist er als TSV-Chef in der Stadt gut vernetzt - was schon einmal einem Bürgermeister den Weg ins Rathaus geebnet hat, Ferdinand Lehnert, der seine erste Wahl allerdings schon 1957 gewann. Das war sieben Jahre vor Schedos Geburt - was ihm immerhin, die Möglichkeit auf zwei Amtszeiten eröffnet.

Immer wieder genannt wurde auch Florian Brilmayer, mit im Wahljahr dann 44 Jahren hätte er die Chance, die Kreisstadt-Tradition der langjährigen Bürgermeister fortzusetzen - wenn er denn will. Denn erstens ist eine Kandidatur des Sohns eines Amtsinhabers nie ganz unproblematisch und zweitens hatte Brilmayer junior eigentlich einen Teilrückzug aus der Politik angekündigt, nachdem er 2013 in der parteiinternen Vorwahl um die Landratskandidatur gegen Robert Niedergesäß unterlag. Mit diesem Rückzug verbunden war auch die Übergabe des Ortsvorsitzes im vergangenen Jahr an Gressierer - der in dieser Rolle natürlich auch die Bürgermeisterkandidatur beanspruchen könnte. Und mit dann 25 Jahren könnte er die Kreisstadt bis ins Jahr 2068 regieren, das Einverständnis der Wähler einmal angenommen - und jenes seiner Parteifreunde selbstverständlich. Ob diese das Risiko eingehen wollen, einen so jungen Kandidaten aufzustellen, muss sich zeigen.

Zeigen muss sich aber auch noch ein Gegenkandidat. Denn was das Suchen und Finden potenzieller Bürgermeister angeht, sind die übrigen Fraktionen nicht viel weiter als die CSU. "Es ist nichts festgelegt, wir sind noch in der Überlegungsphase", sagt SPD-Fraktionschefin Elisabeth Platzer. Sehr ähnlich klingt das beim Grünen-Fraktionsvorsitzenden Philipp Goldner: "Es ist noch nichts ausdiskutiert". Nicht ausdiskutiert, aber definitiv nicht ausgeschlossen ist bei SPD und Grünen auch ein gemeinsamer Bewerber - der oder die nicht unbedingt in der SPD sein müsse, sagt Platzer. Eine Aussage, die nicht ganz überrascht, steht die Kandidatin, die 2012 respektable 21,56 Prozent gegen einen Bewerber aus dem gleichen politischen Lager und den Amtsinhaber holte, 2020 voraussichtlich nicht zur Verfügung. Schließlich kandidiert Doris Rauscher heuer erneut für den Landtag, bei Platz drei auf der Oberbayernliste gilt ihr ein Mandat als relativ sicher. Dass sie dieses für eine Bürgermeisterkandidatur aufgeben würde, ist zumindest fraglich.

Was die eigene Kandidatur angeht, da hört man von den beiden Fraktionschefs dann doch Unterschiedliches. Denn während Platzer eine solche definitiv ausschließt - "das sollen Jüngere machen" -, hält Goldner, der bei der Wahl erst 36 wäre, eine erneute Bewerbung für nicht ganz ausgeschlossen. 2012 reichte es gegen Brilmayer und Rauscher immerhin für 13,19 Prozent der Stimmen. Denn der CSU das Feld überlassen wolle er natürlich nicht. Auf jeden Fall müsse es 2020 eine echte Konkurrenz um das Bürgermeisteramt geben, findet Goldner - und es klingt fast wie eine Bewerbung.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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