Kommentar:Wegweisende Entscheidung

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Zorneding plant ein Neubaugebiet mit bezahlbaren Wohnungen, andere Gemeinden sollten sich ein Beispiel nehmen

Von Viktoria Spinrad

Wenn es um Bauentscheidungen geht, fällt früher oder später das schöne Wort Abwägung. Abwägen sollte jede Gemeinde zwischen dem Nutzen des neu geschaffenen Wohnraums und der Versiegelung, die ja auch immer weiter in das idyllische Münchner Umland hineinkriecht. Selten aber dürfte eine Abwägungsentscheidung so sehr zugunsten der vielgeschmähten Versiegelung sprechen wie aktuell in Zorneding. In roter Farbe ist die Wohnraumstatistik der Gemeinde im Sozialbericht des Landkreises unterlegt: Nur 10,8 Prozent aller Wohngebäude sind Mehrfamilienhäuser, schreit es aus dem Bericht, knapp vier Fünftel dagegen Einfamilienhäuser, nur in Vaterstetten sind es noch mehr. Ein Armutszeugnis für eine Gemeinde, die schuldenfrei ist, aber in jüngster Vergangenheit eher luxuriöse Neubaugebiete als bezahlbaren Wohnraum geschaffen hat.

Mit der Entscheidung, den Startschuss für ein Quartier aus Wohnungen für 508 Menschen zu geben und sich ein Belegungsrecht für einen Teil der Wohnungen zu sichern, sendet die Gemeinde jetzt das richtige Signal. Man könnte sogar sagen: Sie nimmt eine Vorreiterrolle ein im Landkreis. Wo andere Kommunen sich bei Verhandlungen über den Tisch ziehen ließen, will man das Thema der sozialgerechten Bodennutzung nun endlich anpacken. Dafür war es höchste Zeit, denn auch in einem schmucken, idyllischen Dorf wie Zorneding kann und sollte die Zeit nicht stillstehen, können und sollten nicht nur diejenigen mit den fetten Gehältern von neuen Bauprojekten profitieren. Schließlich gefährdet man mit einem solchen Ansatz nicht zuletzt gesund durchmischte Sozialstrukturen im Ort, riskiert, zur gehoben Schlafstadt zu verkommen, wenn Kindergärtner und Handwerker und Verkäufer keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden.

Auch was in diesem frühen Stadium von der Gestaltung des neuen Quartiers bereits erkennbar ist, zeigt ein durchdachtes, kluges Konzept. Die Höhen sind auf das Gefälle und die umliegenden Gebäude angepasst, sodass die Bewohner der Georg-Münch-Straße und der St.-Martin-Straße nicht plötzlich auf eine Eiger Nordwand schauen. Eine verspielt geschwungene Ringstraße und verschieden versetzte Häuser versprechen, dass hier kein eintöniges Areal entstehen soll. Alles in allem eine kluge Abwägung zugunsten der Versiegelung, oder, wie man auch sagen könnte: Längst überfällige Schadensbegrenzung gegen eine öde und gefährliche Vereinheitlichung des schmucken Orts, von der sich andere Gemeinden flugs eine Scheibe abschneiden sollten.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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