Kommentar:Nicht nur bauen, auch betreuen

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Wenn private Investoren mit Flüchtlingsunterkünften Geld verdienen wollen, müssen sie sich auch am Ausbau der Infrastruktur beteiligen.

Von Karin Kampwerth

Vor gut einem Jahrzehnt war es der demografische Faktor, der die Menschen in Unruhe versetzte. Wohin mit all den alten, pflegebedürftigen Menschen? Diese Frage geriet zur seinerzeit größten gesellschaftlichen Herausforderung. Denn eines hat sich bis heute bewahrheitet: Immer seltener können gebrechliche Mütter und Väter oder greise Großeltern in den Familien gepflegt werden, weil diese weder Zeit noch Platz haben, den ganz privaten Generationenvertrag zu erfüllen.

Der Markt Schwabener Rolf Jorga, Mitglied der Senioren Union und des Seniorenbeirates in seiner Heimatgemeinde, sagte damals bei einer Veranstaltung bereits: "Wer Geld verdienen will, sollte sein Erspartes im Bau eines Seniorenheimes anlegen." Wenig später zeigte sich auch im Landkreis: Längst sind es nicht mehr Caritas und Awo, die die Heime betreiben. Auch private Investoren haben entdeckt, dass mit der Pflege der Alten Geld zu verdienen ist.

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich nun bei der Unterbringung von Flüchtlingen ab. Wo nicht nur die Ebersberger, sondern wohl alle Landkreise in Bayern und der Republik stöhnen, weil sie nicht mehr wissen, wo sie die vielen Asylbewerber menschenwürdig unterbringen sollen, tauchen private Geldgeber auf, die mit dem Investorenmodell "Flüchtlingsheim" eine hübsche Rendite wittern. Es ist schließlich leicht geworden, ein solches Vorhaben zu realisieren, wie es erstmals auf der Tagesordnung der Grafinger Stadtratssitzung am Dienstagabend stand und nun auch im Kreistag für Zorneding thematisiert wurde. Denn ablehnen kann die Gemeinde eine solche Bauanfrage fast gar nicht.

Das ist einerseits beruhigend, denn die mögliche rechtspopulistische Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen oder das Infragestellen des Asylrechtes fällt damit flach. Auf der anderen Seite aber müssen die Kommunen aufpassen, dass sie zwar nicht mehr mit der Unterbringung, wohl aber mit deren Folgen überfordert werden. Denn Flüchtlinge brauchen Arbeit und Wohnungen, sobald sie anerkannt sind. Familien brauchen Plätze in Kitas und Schulen.

Wer viel Geld damit verdienen will, Flüchtlinge unterzubringen, der muss sich auch daran beteiligen, die notwendige Infrastruktur in den Städten und Gemeinden zu stärken - und zwar bis hin zur Unterstützung der Helferkreise. Das dürfen die Kommunen verlangen, damit die augenscheinliche Entlastung nicht zu einer neuen Belastung wird.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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