Kommentar:Kollege kommt nicht

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Bei Überwachung scheint es nur eine Devise zu geben: immer mehr. Es sei denn, es geht um Lebensmittel und Trinkwasser

Von Wieland Bögel

Das Thema Überwachung ist durchaus ein kontroverses. Aktuell überbieten sich der bayerische Innenminister und sein Bundeskollege mit Vorschlägen, wo noch überall Kameras aufgehängt werden und welche raffinierte Technik die Bilder dann auswerten soll - was nicht jedem gefällt. Datenschützern etwa, aber auch Technikern, welche die Funktionsfähigkeit der eingesetzten Technik bezweifeln. In einem anderen Bereich staatlicher Überwachung dagegen, gegen die kein Bürgerrechtler oder Datenschützer Einwände hat und die auch technisch ausgereift ist, gibt es, wie sich jetzt zeigt, eklatante Mängel. In den Landratsämtern fehlt Personal, weshalb unter anderem Lebensmittel- und Trinkwasserkontrollen im Landkreis nur in sehr reduziertem Umfang stattfinden können.

Wie reduziert, das will man bei der Behörde in Ebersberg so genau nicht sagen, allerdings scheint die Lage mehr als bedenklich. Dafür spricht, dass die Mitarbeiter eine offizielle Überlastungsanzeige eingereicht haben - also erklären, mit den vorhandenen Ressourcen ihre Aufgaben nicht leisten zu können. Bei einem Lebensmittelskandal im Landkreis könnten daher das Amt und dessen Mitarbeiter juristisch nicht belangt werden, da sie ja rechtzeitig darauf hingewiesen haben, dass sie strenggenommen arbeitsunfähig sind. Der Landkreis selbst kann daran allerdings nichts ändern, da die fraglichen Stellen und Leistungen in den Aufgabenbereich des Freistaates fallen. Heißt: Selbst wenn man in Ebersberg das Geld hätte und die Leute finden würde, dürfte der Landkreis die freien Stellen nicht besetzen. Ob diese überhaupt besetzt werden, entscheidet sich nach derzeitigem Stand wohl erst, wenn über den nächsten Doppelhaushalt des Freistaates beraten wird. Doch selbst bei einem positiven Ergebnis, gelten wird der neue Haushalt erst für die Jahre 2019/2020, so lange heißt es in den Landratsämtern an vielen Stellen noch: "Kollege kommt nicht."

Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, dass, bevor man die nächste millionenteure Überwachungssau durchs Dorf treibt, wenigstens jene Überwachung, die nachweislich dem Wohlergehen der Bevölkerung dient, auch stattfindet. Dies wäre im Übrigen auch im Sinne des von der bayerischen Regierungspartei immer gerne zitierten "Supergrundrechts Sicherheit". Denn dazu gehört auch, dass man sich sicher sein kann, vom Essen und Trinken nicht krank zu werden.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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