Kommentar:Ja, mach nur einen Plan ...

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Wenn das neue Gemeindeentwicklungsprogramm nur wieder eine absolute Wachstumsgrenze formuliert, könnte es den Vaterstettenern gehen wie im "Lied von der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens" von Bert Brecht.

Von Wieland Bögel

Nichts Wahres lässt sich von der Zukunft wissen", der Meinung war zumindest Friedrich Schiller. Wenn man aber nichts Genaues weiß, dann braucht man einen Plan, der Meinung war man vor zehn Jahren in Vaterstetten. Zwei Initiativen mit den bezeichnenden Namen "Zukunft planen" und "Zukunft besser planen" stellten ihre Vorstellungen von der geplanten Zukunft für ihre Gemeinde vor. Da diese nicht ganz deckungsgleich waren - Hauptstreitpunkt war die Geschwindigkeit, in der die Gemeinde wachsen sollte -, gründete man die Zukunftswerkstatt und fand in diesem Gremium schließlich einen Kompromiss: das Gemeindeentwicklungsprogramm (GEP). Die Entwicklung der folgenden Jahre scheint nun allerdings Schiller Recht zu geben. Von den Zielen des GEP in Sachen Einwohnerentwicklung ist nicht mehr viel übrig. Dass man sich nun Gedanken über eine Aktualisierung des Programms machen will, ist daher grundsätzlich eine gute Idee - wenn man aus den Fehlern des ersten Versuchs lernt.

Dass Wunsch und Wirklichkeit in Vaterstetten um einige 100 Einwohner auseinanderklaffen, ist zunächst nicht die Schuld der Planer. Als das GEP beschlossen wurde, waren bestimmte Entwicklungen noch nicht oder zumindest nicht in allen ihren Auswirkungen absehbar. Etwa ein sehr schnelles Wachstum der Einwohnerzahl durch die enorme Nachverdichtung, ausgelöst durch die ins Absurde gestiegenen Grundstückspreise, ausgelöst durch die nicht minder absurd gestiegene Nachfrage an Immobilien im Großraum München. Das Problem: Im Gegensatz zur Ausweisung neuer Wohngebiete lässt sich diese Nachverdichtung kaum steuern. Zwei oder drei Häuser statt einem, ein großes Mehrfamilienhaus statt eines kleinen Wochenendhäuschens, all das gibt meist das Baurecht her, erhöht die Einwohnerzahl und lässt sich eben nur schwer planen.

Reagieren kann man aber durchaus: Wenn in einem Jahr besonders viel Innenverdichtung stattgefunden hat, verschiebt man die Ausweisung neuer Baugebiete eben nach hinten. Was allerdings auch nicht unbegrenzt möglich ist, wie das Wohngebiet Vaterstetten Nordwest zeigt, wo die Gemeinde aus Immobilienverkäufen die neue Grundschule finanziert. Noch besser wäre also, wenn die Gemeinde mehr von dem Wachstum profitieren würde. Etwa im Rahmen der "Sozialgerechten Bodennutzung", wie sie in München seit Jahren existiert. Wenn neue Wohneinheiten entstehen, bekäme demnach die Gemeinde Geld oder ein Grundstück für Sozialwohnungen. Auch eine Beteiligung an der Infrastruktur, seien es Straßen, Kindergärten, Schulen oder Altenheime, könnte die Gemeinde von Bauherren verlangen.

Wenn das neue GEP aber nur wieder eine absolute Wachstumsgrenze formuliert, könnte es den Zukunftsplanern gehen wie im "Lied von der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens" von Bert Brecht: "Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht, und mach dann noch 'nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht."

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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