Kommentar:Grund zur Klage

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Von Flüchtlingen wird erwartet, dass sie schnellstmöglich auf eigenen Füßen stehen. Doch das wird ihnen extrem schwer gemacht

Von Wieland Bögel

Jemand will arbeiten und soll auch arbeiten - darf aber nicht. Was wie eine Kurzzusammenfassung von Franz Kafkas Roman "Das Schloss" klingt, ist im Umgang mit Flüchtlingen leider keine Fiktion sondern Alltag. So wird zwar erwartet, dass sich Flüchtlinge schnellstmöglich integrieren und auch ihr eigenes Geld verdienen - die Möglichkeiten dazu gibt es aber nicht. Etwa, wenn wie im Landkreis, einfach nicht genügend Geld vorhanden ist, um berufsvorbereitende Kurse zu finanzieren. Das ist sowohl für die Flüchtlinge, aber auch für die Allgemeinheit ein Problem, worauf nun Landrat Robert Niedergesäß in einem Brandbrief an die Arbeitsministerin hingewiesen hat.

Soeben hat die große Koalition ihr Integrationsgesetz beschlossen, es soll - nach dem Vorbild der Hartz-Gesetze - die Neuankömmlinge mit Sanktionsandrohungen in den Arbeitsmarkt bringen. Wer nicht genügend Integrationskurse besucht, dem werden die Beihilfen gekürzt. Nun mag man über Elemente Schwarzer Pädagogik in der Sozialpolitik geteilter Meinung sein, zumindest aber sollten die Dinge, zu denen man die Menschen zwingen will, auch vorhanden sein. Dies ist aber nicht der Fall, nicht nur fehlt den Landkreisen das Geld für Eingliederungsmaßnahmen, es gibt auch nicht genügend Deutschkurse, die aber die Voraussetzung für weitere Qualifikation sind. Dies trifft zunächst die Flüchtlinge selbst, die allermeisten würden lieber gestern als heute mit dem Arbeiten anfangen. Bleibt ihnen dies aber verwehrt, hat das auch Folgen für die Allgemeinheit, weil künftig mehr Langzeitarbeitslose alimentiert werden müssen. Wenn der Landrat nun davor warnt, diese Entwicklung könnte den sozialen Frieden gefährden, ist das keine Übertreibung. Schon jetzt gehen die Rechtsradikalen mit dem Klischee vom faulen Ausländer in der sozialen Hängematte auf Stimmenfang. Aber auch finanziell ist der Mangel bei Eingliederungshilfen ein unkalkulierbares Risiko - besonders für Landkreise, Städte und Gemeinden. Denn diese werden am Ende für einen Großteil der Folgekosten aufkommen müssen, von Sozialleistungen bis zu Obdachlosenunterkünften.

Es ist daher zu hoffen, dass weitere Landkreise dem Beispiel Ebersbergs folgen und ebenfalls das Ministerium in die Pflicht nehmen. Denn die Folgen einer verfehlten Integrationspolitik wird man in den Kommunen zuerst und am deutlichsten spüren.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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