Kommentar:Gebrauchsanweisung für die neue Heimat

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Kulturelle Unterschiede können dazu führen, dass Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt scheitern. Daher ist es gut, dass sich das Jobcenter auch um die Beseitigung dieser Hürden kümmert

Von Wieland Bögel

When in Rome, do as the Romans do." Ein Rat, der besonders Touristen gerne mit auf den Weg gegeben wird und diese zur Einhaltung der Sitten und Gebräuche ihres Reisezieles mahnt. Etwa wo Badebekleidung absolut inakzeptabel ist, wie viel Trinkgeld zu geben ist oder welche zu Hause freundlich aufgefassten Gesten im Gastland eine satisfaktionsfähige Beleidigung sind. Noch wichtiger als für Kurzzeitbesucher ist dieser Rat für Menschen, die planen, für länger oder gar dauerhaft in eine neue Umgebung umzusiedeln. Dass man sich beim Jobcenter nun auch darum kümmert, dass Flüchtlinge hiesige Gebräuche kennenlernen, ist darum eine sehr gute Idee.

Wenn es zwischen Neuankömmlingen und Alteingesessenen kracht, ist die Ursache nicht selten ein Missverständnis. Wer schon einmal im Ausland gearbeitet hat, oder in einer Firma, in der Kollegen aus anderen Ländern beschäftigt sind, dürfte sich an die eine oder andere durch kulturelle Unterschiede ausgelöste peinliche Situation erinnern. Seien es die berüchtigten Gesten, die überall etwas anderes bedeuten, seien es Tischsitten, ob man sich die Hände schüttelt oder lieber verbeugt - die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Viele international tätige Firmen bieten daher seit Jahrzehnten Kurse an, wie man sich am neuen Arbeitsplatz verhält, um mit den dortigen Kollegen möglichst reibungslos zusammenzuarbeiten.

Wohlgemerkt, hier geht es um hoch qualifizierte Fachleute, die in der Regel eine ähnliche Ausbildung verbindet und auch keine Sprachbarriere trennt, sondern eben nur ihr jeweiliger kultureller Hintergrund. Um wie viel schwieriger muss das Anpassen an andere Sitten daher jenen fallen, die weder die Sprache beherrschen noch irgendeinen Beruf gelernt haben, mit dem hierzulande etwas anzufangen ist. Sprachkurse und Ausbildung sind darum natürlich nötig, aber eben nur die Hälfte der Arbeit. Soll die Integration gelingen, muss man den Menschen auch vermitteln, wie die Gesellschaft, in der sie künftig leben sollen, funktioniert. Das kann unter Umständen langwieriger sein als das Lernen von Vokabeln und Berufen - aber Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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