Kommentar:Ganz oder gar nicht

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Dabei sein ist nicht immer alles: Wenn sich wie bei den Freien Wählern im Landkreis kein Kandidat für die Landtagswahlen in den eigenen Reihen findet, sollte man lieber gar keinen aufstellen, als sich kramphaft in der weiteren Region umzuschauen.

Von Christoph Jänsch

Längst nicht überall enthält das Endprodukt das, was die Verpackung verspricht. Das kann mitunter durchaus zu Enttäuschungen führen. Manchmal ist zu wenig drin - wie beispielsweise bei "Made in Germany" - Autos zu wenig Germany und zu viel Slowakei, Ungarn und Co. Manchmal ist etwas anderes drin als deklariert - beispielsweise Pferdefleisch in der Tiefkühl-Lasagne. Und ab und zu kann sogar mehr Beigabe als versprochen zu Verstimmungen führen - etwa dann, wenn Schwein, Rind und Huhn zusätzlich Antibiotika enthalten oder wenn das gekaufte Fahrzeug 20 Prozent mehr Sprit verbraucht als angegeben. Nahezu in der gesamten Industrie wird mit mehr oder weniger lauteren Mitteln getrickst.

Warum also sollte das Konzept in der Politik nicht ebenfalls funktionieren? Und warum sollte eine Partei keinen Direktkandidaten für die Landtagswahl in einem Landkreis aufstellen, aus dem dieser nicht kommt? Möglich ist es allemal, wie die Freien Wähler (FW) beweisen. Der FW-Kandidat des Landkreises Ebersberg für die Landtagswahl 2018 kommt aus dem gut 50 Kilometer entfernten Dachau, wie die Partei jetzt bekanntgegeben hat. Zugegeben, getrickst ist das nicht, weil die FW damit transparent umgeht.

Doch ist das wirklich ein sinnvolles Konzept? Kennt ein Politiker die Interessen und Bedürfnisse eines ihm fremden Landkreises wirklich gut genug, um sie adäquat im Parlament vertreten zu können? Diese Konstellation ist mindestens skeptisch zu betrachten, wenn nicht sogar als abenteuerlich einzustufen.

Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Was, wenn sich aus dem eigenen Landkreis partout kein Kandidat findet? Nun, dann könnte man sich das als bekennende kommunalpolitisch orientierte Partei eingestehen und ehrlicherweise keinen Kandidaten benennen. Es ist doch kein Beinbruch, wenn man sich auf den Kern fokussiert und dort ordentlich arbeitet, anstatt sich zu zerreißen. "Schuster bleib' bei deinen Leisten" ist übertragbar, das Sprichwort beschränkt sich nicht zwangsläufig auf die aussterbende Berufsspezies.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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