Kommentar:Ein bisschen viel Flexibilität bei der Steueroase im Forst

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Die Haltung von Grünen und SPD hat etwas doppelmoralisches

Von Wieland Bögel

Alles Festlegen verarmt", wusste schon Christian Morgenstern und hat damit charmant darauf hingewiesen, dass es beileibe keine Schande ist, mit sich selbst anderer Meinung zu sein. Insofern kann man SPD und Grünen im Kreistag auch keinen Vorwurf dafür machen, dass ihre Fraktionen in der Vergangenheit wenig bis keine Probleme mit der Steueroase im Forst hatten, nun aber eben doch - wenigstens ein bisschen. Der Vorwurf ergibt sich allerdings aus diesem bisschen, denn hier haben SPD und Grüne den alten Morgenstern etwas zu wörtlich genommen.

Denn sie haben es geschafft, nicht nur in ein und derselben Sitzung, sondern sogar in der ein und derselben Abstimmung zu ein und demselben Thema zwei völlig konträre Meinungen zu haben. Einerseits sprach man sich gegen den Antrag der ÖDP aus, wonach der Landkreis die Steueroase im Forst trockenlegen sollte. Andererseits brachte man den Antrag ein, an den Gesetzgeber zu appellieren, er solle doch bitte den Stöpsel ziehen. Die Begründung folgt der goldenen Regel, die da lautet: Darf einer, dürfen alle. Oder im konkreten Fall: So lange Steuerdumping - was man grundsätzlich vehement ablehnt - legal sei, solle ruhig auch der Landkreis Ebersberg davon profitieren dürfen. Dies ist - vorsichtig formuliert - eine interessante Ansicht.

Um eine Analogie zu bemühen: Man stelle sich einen Autofahrer vor, der grundsätzlich für eine Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr ist. Da der Gesetzgeber aber anderer Ansicht ist, und Autofahren bis 0,5 Promille erlaubt, sieht sich der Ärmste gezwungen, vor jedem Fahrtantritt ein Schnäpschen zu kippen. Gesetz ist schließlich Gesetz und man will ja nicht der einzige bleiben, der nüchtern unterwegs ist. Der Schnaps ist in diesem Fall die Gewerbesteuer, auf die man trotz grundsätzlicher Einwände nicht verzichten möchte - auch wenn sie derzeit eher schalem Dünnbier gleicht, denn zur Zeit findet man im Forst eher ein Einhorn als einen Cent Profit in der dortigen Steueroase.

Eine Tatsache, die es SPD und Grünen im Übrigen erlaubt hätte, einigermaßen gesichtswahrend aus der Nummer herauszukommen: Wenn es moralisch fragwürdig ist und dem Landkreis nichts bringt, hätte man sich ja auch dem ÖDP-Antrag anschließen können. Oder es halten wie CSU und Freie Wähler, die gar kein Problem mit flexiblen Steuersätzen haben. Aber zumindest beim Abstimmungsverhalten haben Rot und Grün kein Problem mit der Flexibilität, auch wenn sie ein bisschen wie ein schmerzhafter Spagat aussieht. Aber vielleicht hat man sich nach der einstimmigen Ablehnung des ÖDP-Antrages auch nur an eine Weisheit von Mark Twain erinnert, die da lautet: "Wenn du merkst, dass du zur Mehrheit gehörst, wird es Zeit, deine Einstellung zu revidieren."

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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