Kommentar:Chance vertan

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Die Christsozialen in Vaterstetten haben die Chance gehabt, sich klar gegen Fremdenfeindlichkeit abzugrenzen - und lassen diese ungenutzt

Von Wieland Bögel

Die Partei, die Partei, die hat immer Recht", diese Liedzeile singt man bei der Vaterstettener CSU wahrscheinlich nicht. Den Geist der Hymne der SED indes, der da lautet: nichts geht gegen die Partei, haben die Vaterstettener Christsozialen recht gut verinnerlicht. Schließlich will man in der Kreis-CSU nach anfänglichen Verzögerungen nun endlich mit dem Aussitzen der Causa Boher beginnen, da wäre jede weitere Befassung mit der unappetitlichen Geschichte nur störend. Diesem Plan haben sich die Vaterstettener Parteifreunde nun angeschlossen, indem sie verhinderten, dass sich der Gemeinderat in einem offenen Brief kritisch zu Bohers rechtspopulistischen Ausfällen äußert.

Das dazu herangezogene Argument, man sei als Nachbargemeinde weder zuständig noch befugt, noch gehe es die Vaterstettener irgendetwas an, was in Zorneding passiert, ist, mit Verlaub, Unfug. Bei jedem größeren Bauvorhaben und bei jeder Ortsplanung nehmen die Nachbargemeinden Stellung, auch durchaus kritische, wie es die Vaterstettener bei der Planung ihres Einkaufszentrums in Parsdorf erfahren mussten. Eine kritische Stellungnahme zu den Ausfällen einer Kommunalpolitikerin von nebenan, mit der man außerhalb des Landkreises schon mal in einen Topf geworfen werden könnte, wäre also durchaus nicht abwegig. Besonders unangenehm fällt aber auf, dass man die Nichtbefassung auch auf Antrag und mit den Stimmen der AfD beschlossen hat, einer Partei, in welcher Aussagen, wie jene der Zornedinger Ex-Ortsvorsitzenden, noch als gemäßigt gelten.

Dabei hätten die Vaterstettener Christsozialen eigentlich beste Voraussetzungen gehabt, ein Zeichen gegen solche menschenfeindliche Aussagen zu setzen. Denn man mag von der CSU in der Großgemeinde halten, was man will, rechte Pöbeleien hatten dort nie einen Platz. Ganz im Gegenteil: Der stellvertretende Ortsvorsitzende und Sprecher der CSU-Kreistagsfraktion Martin Wagner war einer der ersten, der öffentlich und sehr deutlich Bohers Ausfälle kritisierte und sich ausdrücklich davon distanzierte. Und nichts anderes steht in dem Brief - den die Fraktionen der Grünen und SPD nun alleine abschicken werden. Vaterstettens CSU hat hier aus falsch verstandener Rücksichtnahme gegen eine Parteifreundin eine Chance vertan, sich glaubwürdig vom rechten Rand abzusetzen.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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