Junges Talent:Aufgeben, nein danke

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Immer viel zu tun, aber immer ein Lächeln im Gesicht hat Beyza-Seher Öztürk. Für ihr vielseitiges Engagement bekommt sie nun ein Stipendium. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beyza-Seher Öztürk aus Poing wird von "Talent im Land - Bayern" gefördert. Wie die 14-Jährige die Jury überzeugte

Interview von Heloise Olufs, Poing

Immer wieder öffnet sich die Tür des kleinen Wohnzimmers, in dem sich die Neuntklässlerin Beyza-Seher Öztürk mit der SZ unterhält. Dann lugt erst eine winzige Hand, gefolgt von einem kleinen Kopf durch den Spalt. Die Poingerin lebt mit vier jüngeren Geschwistern zusammen. Dass sie neben den Verpflichtungen, die das Leben einer ältesten Schwester mit sich bringt, noch ausreichend Zeit für das Franz-Marc Gymnasium und eine Vielzahl sozialer Aktivitäten findet, ist erstaunlich. So sah es auch die Jury der Organisation "Talent im Land - Bayern" (TiL) und machte sie deshalb zur Stipendiatin. SZ: TiL fördert begabte Jugendliche, die "aufgrund ihrer sozialen Herkunft Hürden überwinden mussten" mit einem Schülerstipendium. Hattest Du solche Hürden in deinem Leben?

Beyza-Seher Öztürk: Ich lebe in einer großen Familie mit Migrationshintergrund. Meine Eltern haben mich natürlich immer unterstützt und ihr Bestes gegeben, dennoch war ich oft mit Situationen konfrontiert, in denen mir keiner helfen konnte.

Hast du dafür ein Beispiel?

Obwohl ich in Deutschland geboren wurde, kam ich anfänglich mit der Sprache nicht klar, meine Eltern genauso wenig. Außerdem gibt es viel im Haushalt zu tun und daher nicht immer Zeit für mich. Umziehen mussten wir auch ein paar Mal. Deshalb bin ich noch nicht lange im bayerischen Schulsystem. Und auch Poing ist neu für uns. Hierher sind wir gezogen, als unser Haus in Parsdorf abbrannte. Warum glaubst du, hat TiL sich entschieden, dich zu unterstützen?

So ganz genau weiß ich das auch nicht (lacht). Meine schulischen Leistungen sind gut, obwohl sie in Hessen besser waren. TiL will mir, glaube ich, helfen, dieses Niveau wieder zu erreichen. Außerdem habe ich mich sozial engagiert. Ich bin Schülerlotsin, Babysitterin, arbeite im Seniorenheim, trage Zeitungen aus, helfe Schülern mit den Hausaufgaben und nehme an Schulprojekten teil. Beispielsweise habe ich an "Stoff am Kopf" teilgenommen, das sich mit Religion und Religionsfreiheit beschäftigt. Geige spiele ich auch, aber noch nicht lange. Als musikalisches Wunderkind kann man mich eher nicht bezeichnen. Wie sieht die Unterstützung von TiL aus?

Zum einen bekomme ich finanzielle Hilfe: Jeden Monat hundert Euro für Bildungszwecke, von denen ich beispielsweise meinen Geigenunterricht bezahle. Auch kann man für Exkursionen, Klassenfahrten, Nachhilfe et cetera einen Antrag auf finanzielle Hilfe stellen und einmalig 800 Euro für einen Laptop beantragen. Dann gibt es noch die ideelle Förderung: Seminare, Workshops und Pflichtveranstaltungen, um andere kennenzulernen. Und es ist möglich, Kontakt zu Alumni aufzunehmen, sich mit ihnen zu unterhalten und Tipps zu bekommen. Man könnte TiL mit einer großen Familie vergleichen. Hast du dich, seit du die Unterstützung bekommst, schon irgendwie als Person verändert?

Ich engagiere mich seitdem noch stärker sozial. Davor hatte ich zwar die Motivation, wusste aber nicht wann, wo und wie ich es anpacken sollte. Bei TiL habe ich dann andere Gleichgesinnte mit ihren sozialen Aktivitäten gesehen, das spornt einen enorm an. Ich bin jetzt selbstbewusster, zielorientierter und neugieriger, weil ich mich in einem neuen Umfeld bewege. Setzt das Stipendium Dich unter Druck, weil Du konstant gute Leistungen erbringen musst?

Es lastet Druck auf mir, aber den mache ich mir selbst. Den hätte ich auch ohne das Stipendium. Ich habe eben hohe Erwartungen an mich selbst. Gleichzeitig bin ich sehr ehrgeizig, was etwas Gutes ist. Bleibt da überhaupt noch Zeit für Freunde bei all deinen Verpflichtungen?

Auf jeden Fall, am Wochenende. Unter der Woche haben schließlich auch die anderen viel zu tun. Hast du irgendwelche Tipps, die du Bewerbern für das Stipendium geben könntest?

Man sollte motiviert sein und das Ganze nicht nur der finanziellen Gründe wegen machen. Man muss die gebotenen Möglichkeiten und Perspektiven wertschätzen und sich daher auch auf das Vorstellungsgespräch vorbereiten. Die fragen einen, wie man sich engagiert, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten würde, und was "Talent" für einen selbst bedeutet. Was bedeutet "Talent" denn für Dich?

"Talent" ist für mich nicht nur einfach eine Begabung, die man von Geburt an hat, sondern Talent hat jener, der seien Kapazitäten, sein Potenzial, ausschöpft und zum Besten wendet. Also kann jeder Mensch talentiert sein?

Ja, mit Motivation und Anstrengung bleibt keinem das Talent verwehrt.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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