Jubiläumsfeier:Betonwabenfest

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Ebersberger Protestanten feiern an diesem Sonntag 60 Jahre Heilig-Geist-Kirche. Nach dem Gottesdienst eröffnet der Förderverein eine Ausstellung zur Geschichte des außergewöhnlichen sakralen Baus

Von Daniela Gorgs, Ebersberg

Als Helmut Weber vor 35 Jahren erstmals in der evangelischen Heilig-Geist-Kirche saß, sah er auf einen Blick: "Das ist ein Sanierungsobjekt." Die Kirche war damals 25 Jahre alt - und renovierungsbedürftig. Das Wetter hatte den Beton zersetzt. Ganze Brocken waren aus der Wand gefallen, was freie Sicht auf die Stahlbewehrung bot. Feuchtflecken bedeckten die Mauern. Und am Pfarrhaus war die Eternitverkleidung heruntergebrochen.

Helmut Weber, promovierter Chemiker und Honorarprofessor für Bautenkunde und Instandsetzungstechnologie an der TU München, erkannte sofort Handlungsbedarf - und engagierte sich. In den Achtziger Jahren war Weber, der in Oberfranken in einem Pfarrhaus aufwuchs, nach Ebersberg gezogen, in die protestantische Diaspora. Die Kirchengemeinde Heilig-Geist wurde seine neue Heimat. Und für die Pfarrei kam Weber wie gerufen. Mit seinen guten Kontakten, er arbeitete als Geschäftsführer bei Wacker Chemie, plante er die Sanierung und gründete auch den Förderverein.

Seit 60 Jahren dreht sich der goldene Engel auf Ebersbergs evangelischer Kirche im Kreis. Vor zehn Jahren vergoldete ein Kunstschmied die mattgewordene Figur neu. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Heilig-Geist-Kirche wurde am 13. Juli 1958 offiziell eingeweiht. Es ist ein einfacher Stahlskelettbau mit Betonverkleidung. Eine Seite ist mit rechteckigen Fenstern ausgemauert, was aussieht wie eine Wabenwand. Wenn das Licht von Süden durch das bunte Fensterglas einfällt, schimmert es im Innenraum der Kirche.

Weber kennt jeden Mauerstein des Gebäudes. Zum 40-jährigen Bestehen referierte er über die Geschichte der Kirche. Und über die schwierige Grundstückssuche. Die Kirchengemeinde war nach dem Zweiten Weltkrieg im Raum Rosenheim und München auf 5000 Menschen angewachsen. Es gab elf Gottesdienststationen, in Ebersberg die Sebastianskapelle und die Kantine des Sperrholzwerks Kurt Rohde. 20 Gottesdienste mit 100 Besuchern wurden pro Jahr gefeiert. Der damalige Pfarrer Ottmar Dimmling setzte sich für eine eigene Kirche ein. "Es waren jedoch unruhige Zeiten für Grundstückskäufe", sagt Weber. Einmal stand die Pfarrei kurz vor Vertragsunterzeichnung. Dann zog die Eigentümerin zurück.

Am 14. Oktober 1957 klappte es endlich. Ein Grundstück im Stadtteil Friedenseiche wurde zum Preis von zirka 20 000 DM gekauft, der Kronstädter Architekt Helmut von Werz mit dem Kirchenbau beauftragt. Die Urkunde über die Errichtung einer evangelisch-lutherischen Pfarrstelle Ebersberg im Dekanat Rosenheim ist auf den 21. Februar 1958 datiert. Dieses Dokument ist Teil der Ausstellung, die auf der Jubiläumsfeier am Sonntag, 15. Juli, zu sehen sein wird.

Karl Heinz Ernst (links) und Helmut Weber haben 30 Tafeln zusammengetragen, auf denen sie die Geschichte der Heilig-Geist-Kirche erzählen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Helmut Weber, erster Vorsitzender des Fördervereins, und sein Stellvertreter Karl Heinz Ernst trugen 30 Tafeln zusammen, auf denen sie 60 Jahre Heilig-Geist-Kirche erzählen. Den beiden 77 und 71 Jahre alten Männer ist die Freude über ihr Werk anzusehen. Karl Heinz Ernst zeigt auf die Urkunde des Kirchenrats und schmunzelt: "Bei Rückantwort Angabe obiger Nr. dringend erwünscht", liest er vor. "Als ob die damals so viele Fälle gehabt hätten", amüsiert er sich. Über den Beginn der evangelischen Kirchengemeinde in Ebersberg, die Grundsteinlegung oder die Montage des Engels trugen die beiden Informationen und Fotos zusammen. Fotos, die großteils Webers Frau Rita gemacht hat. Ein Bild zeigt die Perspektive auf den Kirchturm mit Engel, blühende Kastanienbäume im Vordergrund. Ein Foto des Pressefotografen Helmut Wohner dokumentiert, wie ein Hubschrauber der US-amerikanischen Armee den Posaunenengel, das Wahrzeichen der Kirche, auf den Glockenturm aufsetzte. Immer wieder ließ der Förderverein seine Kontakte zum Landeskirchenamt spielen. Ob bei der ersten Renovierung der Kirche im Jahr 1983 oder der zweiten 1996/97 - wenn die Ebersberger ihren Förderantrag stellten, wurde dieser genehmigt. Weber, der mit seinem Unternehmen Kompetenzzentrum Bautenschutz und Bausanierung nicht nur die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mitrenovierte, die Alte Pinakothek in München oder das Capitol in Washington, ist bekannt und sein Wissen zur Werkstoffkunde und Analyse von Gestein sehr gefragt.

In den vergangenen zwölf Jahren sammelte der Förderverein 100 000 Euro, um den Kirchenhaushalt zu entlasten. Bislang finanzierte der Verein die Lautsprecheranlage, die Restaurierung des Posaunenengels und die Erneuerung des Kirchenportals. Als nächstes ist eine neue Küche für das Gemeindehaus geplant und die Überdachung des Treppenabgangs zu den Kellerräumen, die die Tafel nutzt.

Es steckt viel Herzblut in diesem Förderverein. Als im Mai dieses Jahres Rita Weber starb, bat ihr Ehemann um Spenden statt Blumen und Kränze. Der Erlös von 3000 Euro kommt dem Förderverein zugute. Auf der Ausstellungsinformation, die jeder Besucher in die Hand gedrückt bekommt, sind die Spendenkonten des Fördervereins vermerkt. Der zweite Vorsitzende Karl Heinz Ernst ist ein Finanzmann und weiß, wie man Spendengelder generiert. Was den beiden Vorsitzenden gefällt, ist der ökumenische Ansatz der Kirchengemeinde. "Die Gemeindearbeit hat sich sehr gut entwickelt", sagt Weber.

Mehr darüber erfahren können Besucher auf der Jubiläumsfeier am Sonntag, 15. Juli, Abt-Williram-Straße 90. Der Gottesdienst beginnt um 10.30 Uhr. Im Anschluss plant der Förderverein einen Empfang mit Ausstellungseröffnung. Am Mittwoch, 18. Juli, findet im Gemeindehaus ein Vortrag zum Jubiläum statt. Unter dem Titel "Geschichten und Geschichte" erinnert Dekan a. D. Hans Dieter Strack, von 1983 bis 1994 Pfarrer in Ebersberg, an die Anfänge der evangelischen Gemeinde und lässt Zeitzeugen zu Wort kommen.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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