40 Jahre Rathauskonzerte:Prickelnder Cocktail

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Zum Jubiläum kommen Gratulanten von mitreißendem Format nach Vaterstetten: Die "Kammersolisten XXI" beweisen, dass die Trennung von U- und E-Musik Unfug ist

Von Ulrich Pfaffenberger

Zum Festkonzert anlässlich "40 Jahre Rathauskonzert Vaterstetten" hatte sich Impressario Kurt Schneeweis, dem innovatorischen und querdenkenden Status der Konzertreihe gemäß, Gäste ins Haus geholt, deren Programm so gar nicht dem klassischen "Jubiläumsdenken" entspricht. Gleichwohl, das vorweg, legten die Kammersolisten XXI einen Auftritt hin, der auch einem höheren Anlass noch Glanz verliehen hätte. Denn sie präsentierten in der Baldhamer Kirche Maria Königin einen prickelnden Cocktail aus Überraschendem, Inspirierendem und Meisterlichem, der die Gäste jubeln und das Herz wahrer Musikliebhaber höher schlagen ließ.

Die "Kammersolisten XXI" geben ein umjubeltes Konzert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für ein Festkonzert eignete sich das vor allem aus einem Grund: Die sieben Kammermusikerinnen und -musiker bewiesen mit ihrem Auftritt glaubwürdig, nachdrücklich und unwiderstehlich, dass die Trennung zwischen E- und U-Musik Unfug ist. Der programmatische Anspruch des noch jungen Ensembles aus erfahrenen Instrumentalisten, ein Angebot für das 21. Jahrhundert zu machen, wird sich in den nächsten Jahren daran messen lassen müssen, wie es neue Generationen von Zuhörern für vermeintlich alte Melodien begeistern kann. Spielen sie weiter so nah an den Seelen und Herzen der Kompositionen, verstehen sie es weiter, so "wörtlich wie nötig und so frei wie möglich" mit den Botschaften der Komponisten umzugehen, und bleiben sie ihrer beherzten Spielweise und liebevollen Musikalität treu, dann braucht sich niemand um die Rolle der klassischen Musik in der Zukunft zu sorgen.

Kurt Schneeweis (Dritter von links) wird geehrt von Zweitem Bürgermeister Martin Wagner (links), Landrat Robert Niedergesäß und Bürgermeister Georg Reitsberger (rechts). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Exemplarisch für das erfrischende Konzept der Kammersolisten stand schon der Auftakt. Freche Dialoge, kecke Anspielungen, munteres Löcken wider den Stachel: So stellt man sich den Till Eugenspiegel vor - und genau so hat ihn Fran Hasenöhrl nach der Vorlage von Richard Strauss auch in Töne gefasst. Da kann man gut verstehen, wenn ein aufgewecktes Häuflein von Musikern, die in etablierten Orchestern alles erreicht und gespielt haben, was möglich ist, sich diesem heiteren Teil der klassischen Literatur mit Freuden hingibt. Das Ergebnis ist (noch) nicht revolutionär, auch nicht zwanghaft "anders". Aber dieses extra Quäntchen Fantasie und Impulsivität, das sie in den Umgang mit Melodien und Instrumenten legen, ist ein offenkundiger Ausbruch aus den Fesseln der Konvention. Damit bewegen sie sich vermutlich nächstmöglich am Original, wie es den Gedanken des Komponisten entsprang.

Wer so viel Kraft und Leidenschaft in die wenigen Minuten munterer Eulenspiegelei hineinpackt, dass sogar die kräftige Kirchenglocke beim Achteläuten mit ihren dissonanten Klängen nicht stört, verfügt auch über die Fähigkeit, sein Publikum zu (ver)führen. Eine kluge Wahl daher, die Reihenfolge der Stücke zu tauschen und dieses herzerfrischende Werk an den Anfang zu stellen. Da kam der Verdacht erst gar nicht mehr auf, in einer andachtsvollen Feierstunde verharren zu müssen. Nein, alle durften sich von Herzen freuen - und das gleich doppelt. Denn in dem "Septett für Bläser und Streicher B-Dur" von Franz Berwald schenkten die Kammersolisten den Gästen der Jubiläumsfeier eine echte Rarität: Die Werke des schwedischen Komponisten, entstanden im Niemandsland zwischen Wiener Klassik und Romantik, sind aus dem Blickfeld verschwunden, ach wo, Berwald ist wegen vermeintlicher Bedeutungslosigkeit erst gar nie dort aufgetaucht, einige skandinavische Orchester ausgenommen. Die XXIer zeigen, wie groß das Unrecht ist, das diese Ignoranz nach sich zieht: Melodische Eleganz verbindet sich im Septett mit lebendigen Klangfarben, durchläuft bei der thematische Variation Metamorphosen von ergreifender Sinnlichkeit und Tiefe. Die Besetzung mit Fagott, Oboe, Horn, Violine, Viola, Cello und Bass ist wie geschaffen, um diesem Kunststück den verdienten Glanz zu verleihen, zumal wenn sie so gespielt werden wie am Sonntag. Aufregend!

Dass dann auch beim bekanntesten Septett von allen, Beethovens Opus 20 in Es-Dur, die Oboe kichern, die Viola tanzen und der Kontrabass herzhaft schrummen darf, fügt sich nahtlos in das fast körperliche Verhältnis zwischen den Musikern und ihren Instrumenten ein. Gerade im zweiten Satz darf man mit ihnen träumen und fantasieren, als wollten sie sagen: "Wir sind ja nicht dazu da, die Gedanken des Komponisten als schwarze Punkte im Notensystem zu reproduzieren. Sondern wir wollen die Sprache verständlich machen, die sie sind." Das Spiel mit Kontrasten, der Dialog der Stimmungen, das Balancieren in der Tonalität - ist es sehr verwegen, darauf hinzuweisen, dass Poetik oder Malerei erst sehr viel später zu diesen Ausdrucksmitteln fanden, die in der Musik schon viel früher zuhause waren?

Einmal mehr erweisen sich die Vaterstettener Rathauskonzerte also als geistvoll, erhellend, bereichernd. Stürmischer Applaus, gut durchwachsen mit Bravo-Rufen und rhythmischem Klatschen, lohnt den großen Auftritt - und auch die Idee dahinter.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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