Gericht zieht Bilanz:Von schwarzen und weißen Schafen

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Die Zahl der Verfahren am Amtsgericht Ebersberg ist zwar 2017 leicht gesunken, doch der Aufwand bei vielen Prozessen steigt. Immerhin aber können sich die Mitarbeiter auf freundliche neue Nachbarn freuen

Von Carolin Schneider, Ebersberg

Vor allem Verfahren, an denen Flüchtlinge beteiligt sind, machten dem Ebersberger Amtsgericht im Jahr 2017 zu schaffen. Die Arbeitsbelastung bei dieser Art von Verfahren sei "nicht unerheblich angestiegen", sagte Markus Nikol, Pressesprecher des Gerichts, bei der Jahrespressekonferenz. Das liege vor allem daran, dass diese Verhandlungen oftmals aufwendiger sind als andere. Nikol nennt als Beispiel einen Fall, bei dem mehrere Dolmetscher erforderlich waren, um alle Zeugen zu vernehmen.

Ein anderes Problem sei, dass viele Zeugen umgezogen sind, bis das Verfahren anläuft. Deshalb komme es häufig vor, dass ein Zeuge nicht vor Gericht erscheint, weil er die Ladung nicht bekommen hat. Vor allem wenn diese in Sammelunterkünften leben, gebe es selten Bescheid von der Post, dass der Empfänger unter der angegeben Adresse nicht aufzufinden ist. Stattdessen geht der Brief verloren und während der Verhandlung wartet man ahnungslos auf den Zeugen. "Da muss man oft hinterher rennen, um die Adressen schließlich rauszufinden", so Nikol.

Verfahren mit "Reichsbürgern", die im Jahr 2016 das Amtsgericht besonders beschäftigt haben, gebe es nicht mehr so drastisch viele wie im Jahr zuvor, so Direktor Christian Berg. Trotzdem habe die zuständige Richterin einige Verfahren gehabt und insgesamt 17 Mal besondere Sicherheitsverfügungen beantragen müssen. Bei diesen kommen nur diejenigen an der Eingangskontrolle vorbei, die einen Ausweis vorzeigen. "Einen Personalausweis der Bundesrepublik", betont Nikol. Denn "Reichsbürger", die Deutschland nicht als Staat ansehen und somit auch häufig die Gesetze nicht beachten, zeigen immer wieder Fantasieausweise vor. Das Gericht betreten dürfen sie in diesem Fall jedoch nicht und gelten bei der Verhandlung als nicht anwesend. Die Zahl der Verhandlungen mit "Reichsbürgern" dürfte 2018 wieder steigen, so Nikol. "Das Landgericht hat schon angemerkt, dass etwa 80 bis 90 Verfahren auf uns zukommen könnten", so der Richter. Grund dafür ist die Razzia in Pliening im Februar 2017. Damals hatte die Polizei den Regierungssitz des selbsternannten Bundesstaates Bayern durchsucht und etliche Fantasiedokumente, Urkunden und Bargeld gefunden.

Im Vergleich zu 2016 sind die Verfahren insgesamt im vergangenen Jahr stagniert oder zurück gegangen. Lediglich bei den Jugend- und Bußgeldverfahren ist ein Anstieg zu verzeichnen. 348 Strafverfahren gegen Jugendliche gingen 2017 beim Amtsgericht ein. 2016 waren es noch 313, das ist eine Steigerung von zehn Prozent. Eine ebenso nicht unerhebliche Steigerung ist bei den Bußgeldverfahren zu sehen: Waren es 2016 noch 355, sind es 2017 397 Fälle, die im Amtsgericht eingingen. Christian Berg meint sogar zu wissen, woran das liegen könnte: An der Dauerbaustelle, wenn die A 94 und die A 99 sich kreuzen, werden wohl vermehrt Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. "Dort muss es ein mobiles Blitzgerät geben, das immer mal wieder auf Ebersberger Grund steht", vermutet der Amtsgerichtsdirektor.

Bei den Zivilverfahren gab es einen leichten Rückgang: 1118 neue Fälle sind 2017 beim Amtsgericht anhängig geworden, 2016 waren es noch gut 150 mehr. Auch in der Familienabteilung, die sich von der Scheidung bis zur Adoption um alle Familienangelegenheiten kümmert, gingen die Verfahren etwas zurück: Waren es 2016 noch 947, lag die Zahl der Verhandlungen 2017 bei 864. Allerdings ist der Arbeitsaufwand vergleichsweise hoch: Durchschnittlich 5,7 Monate wurde an den Fällen gearbeitet. Das liege daran, dass sie häufig umfangreicher als Zivilverfahren sind. "Es gibt natürlich auch die ganz einfache Scheidung, wo sich alle einigen können", erklärt Nikol. Doch dazu kommen sehr viel kompliziertere Fälle. Wenn sich etwa ein Paar scheiden lässt, das gleichzeitig eine gemeinsame Firma auflösen muss und sich in der Frage, wer die Kinder kriegt, nicht einigen kann. Da kommen viele Dinge zusammen, allerdings zähle das in der Statistik trotzdem als ein Verfahren.

Im Amtsgericht Ebersberg arbeiten acht Richter, darunter vier Frauen. Im vergangenen Jahr waren es noch neun. Jedoch bleibt die Stellenanzahl gleich, da mehr Richter in Vollzeit arbeiten. Trotzdem sei das Amtsgericht weiterhin unterbesetzt. "Ein Richter fehlt", so Nikol. Auch Rechtspfleger sind vonnöten. Die Arbeitsbelastung ist im Vergleich zum Vorjahr etwa gleich geblieben - gleich hoch. Bei den großen beruflichen Anforderungen komme die Gesundheit häufig zu kurz, so Berg. Aus diesem Grund wurde 2017 ein Gesundheitszirkel eingeführt, der verschiedene Angebote in den Behördenalltag integriert: Rückenschulungskurse mit der Volkshochschule, Anpassung der Arbeitsplätze an optimale ergonomische Bedingungen sowie ein Ernährungskurs mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, bei dem gesunde Snacks zum Mittagessen selbst zubereitet werden sollen.

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird im Frühjahr 2018 dem Amtsgericht auch neue Nachbarn bescheren. Der Behörde gehört die Wiese hinter dem Gerichtsgebäude, doch deren regelmäßiges Mähen koste viel. Deshalb hat das Amt beschlossen, fünf Schaf-Damen als Mäherinnen anzustellen. Im Amtsgericht ist man über die Aussicht auf tierische Nachbarn durchwegbegeistert, sagen sowohl Berg als auch Nikol. Aus Sitzungssaal 2, in dem die Strafverhandlungen stattfinden, kann man von April oder Mai an also den weißen Tieren beim Grasen zuschauen. Während drinnen auf dem Angeklagten-Stuhl weiterhin die schwarzen Schafe sitzen.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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