Falsche Noten gibt es nicht:Reise in den Kontinent der Klänge

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Das Improvisationskonzert der Ebersberger Musikschule schickt Orpheus und Eurydike auf den Karneval von Rio. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Improvisationskonzert der Musikschule Ebersberg präsentieren sich mutige Entdecker

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Zu den Erinnerungen an den Musikunterricht gehört neben der späten Reue, zu wenig geübt zu haben, die wiederkehrende Angst, beim öffentlichen Vorspiel daneben zu greifen oder gar den Faden zu verlieren.

Ein Gegenmittel zu solchen Befürchtungen ist die Improvisation. Die Pädagogen der Musikschule lassen ihren Schützlingen immer wieder Raum für spontane musikalische Einfälle. Mal furchtlos draufballern auf Trommel und Becken, am Klavier aus dem Stegreif eine selbst erfundene Melodie spielen, ohne Notenblatt und Fingersatz. Falsche Noten gibt es nicht. Das macht Freude und befreit.

Ein Beweis ist das Konzert vergangenen Freitag im kleinen Saal der Musikschule im Klosterbauhof. Hans Wolf, der die Idee hatte, und Sebastian Hausl, stellen dem in großer Zahl erschienenen Publikum Kinder und Jugendliche vor, die - manche zum ersten Mal - mutig ihre Eigenschöpfungen vortragen wollen: Latin, Filmmusik, Swing, Jazz und Experimentelles, Metal und Gospel, eine Reise durch die Quinten, Klassisch-Orientalisches und eine Ballade, bei der abgesehen von den vier letzten Akkorden nicht feststeht, wohin die Reise geht.

Wolf, Hausl und die Cellolehrerin Eva Rautenberg ergänzen dieses "kulturelle und stilistische Abenteuer", wie es im Flyer heißt, um Klänge und Geräusche, die befreit sind von allen Konventionen. Hausl und Wolf produzieren eine Kakophonie aus Lärm und geisterhaften Dissonanzen, endend in einer ruhigen klassischen Kadenz. "Ein Jahr haben wir geübt, damit wir ja nicht falsch spielen", erklärt Hans Wolf unter dem Gelächter des Publikums. Um derartige musikalische Gratwanderungen zu erzeugen, verwandelt er den Flügel in ein Perkussionsinstrument. Die dazu benötigen Gegenstände, darunter ein Luftballon, den er lautstark aufbläst, wirken wie aus dem Sortiment eines Baumarkts. Hausl wiederum bringt durch sanftes Streichen über die Becken das Metall zum Schnurren.

Liebevoll machen die Pädagogen ihren Schützlingen Mut. Diese atmen vor Beginn tief durch, lassen sich aber nicht aus dem Konzept bringen, weder als Solisten noch im Ensemble. Besonderen Applaus erhält Matija Jajcinovic am Flügel für seinen etwas anderen Schostakowitsch. Der junge Mann hat dem berühmten Jazzwalzer an ein, zwei Stellen eigene Klangschöpfungen hinzugefügt, aber harmonisch so stimmig, als stammten die "Variationen" von Schostakowitsch selber. Matija ist erst seit vier Jahren an der Musikschule. "Ich habe zuhause am E-Piano mit Improvisieren angefangen, weil ich damals noch gar nicht Klavierspielen konnte", erzählt er. "Jetzt weiß ich, ich will Komponist werden."

Eindrucksvoll - und vermutlich bis Grafing zu hören - auch der Auftritt der Metal-Band "Fear of the Duck", die den Zuhörern kräftig eins auf die Ohren gibt - mit Improvisationen zu Stücken von Iron Maiden und Metallica mit tollen Drum- und E-Gitarrensoli. Ein kleiner Bub in der ersten Reihe ist so begeistert, dass er sich als Luft-Schlagzeuger betätigt.

Höhepunkt der Darbietungen sind die Evergreens "Hymn to Freedom" des 2007 verstorbenen Jazzpianisten und Komponisten Oscar Peterson und "Black Orpheus" aus dem Filmkunstwerk "Manha de Carnaval". Darin wurde der antike Mythos von Orpheus und Eurydike in den Karneval von Rio verlegt. Der Pianistin Clara Bail, die spielt und dazu singt, Hans Wolf und dem Percussion-Ensemble von Sebastian Hausl gelingen eine berührende und mitreißende Interpretation voller Sehnsucht und Melancholie. Mit eigener kreativer Note, versteht sich.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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