Entwicklung:Wachset und mehret euch

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Selbst ohne Zuzug nimmt die Zahl der Einwohner im Landkreis zu. Besonders in den kleineren Gemeinden gibt es einen deutlichen Geburtenüberschuss, größere Kommunen würden dagegen ohne Neubürger schrumpfen

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Der Landkreis Ebersberg zählt zu den am schnellsten wachsenden Kreisen Bayerns, in den kommenden zwei Jahrzehnten soll die Bevölkerung um 20 000 auf dann 158 000 Einwohner anwachsen. Dies liegt zwar vor allem am Zuzug - aber eben nicht nur. Wie das statistische Landesamt nun bekannt gab, weist auch die sogenannte natürliche Bevölkerungsentwicklung - also die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen - für den Landkreis Ebersberg ein kleines Plus aus. Besonders in den kleineren Kommunen kommen auf einen Todesfall bis zu drei Geburten, in den größeren Gemeinden und den Städten ist die Entwicklung dagegen meist umgekehrt.

Im vergangenen Jahr war das natürliche Wachstum der Zahl der Landkreisbewohner mit 52 Personen so niedrig wie nie - aber immerhin gab es ein Wachstum. Bayernweit ist nämlich genau das Gegenteil der Fall, zuletzt starben im Freistaat vor 15 Jahren weniger Menschen als geboren wurden. 2015 dagegen wäre die Einwohnerzahl Bayerns ohne Zuzug um 15 308 gesunken, es gab 118 228 Geburten, aber 133 536 Todesfälle. Dieser Trend gilt für sechs der sieben bayerischen Regierungsbezirke; dass er nicht noch deutlicher ausfällt, liegt am Ergebnis für Oberbayern, wo 2015 46 066 Babys lebend zur Welt kamen, aber nur 41 827 Personen starben.

Auch wenn der Zuwachs im Landkreis Ebersberg im vergangenen Jahr besonders schwach ausfiel, lässt sich wohl noch kein Trend ablesen. Denn die Zahlen schwankten über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte erheblich: So kamen 1960 noch 533 mehr Ebersberger zur Welt als starben, zehn Jahre darauf waren es immerhin noch 444, ein weiteres Jahrzehnt später gerade einmal 106. Doch 1990 hatte sich der Trend mit einem Geburtenüberschuss von 288 wieder komplett umgedreht, im Jahr 2000 betrug dieser sogar 358 Personen, um sich binnen zehn Jahren auf 164 mehr als zu halbieren und ein Jahr darauf auf 64 abzusinken. Im vorvergangenen Jahr gab es dann allerdings wieder deutlich mehr Geburten als Todesfälle, mit 252 war fast wieder der Wert von 1990 erreicht.

Noch weniger eindeutig sind die Trends für die Gemeinden, auch hier schwanken die Zahlen stark. Einige Entwicklungen lassen sich aber durchaus aus der Statistik herauslesen. So gab es beispielsweise bis in die 1970er Jahre in allen 21 Kommunen fast immer einen Geburtenüberschuss. Als dieser in den 1980ern landkreisweit einbrach, lag dies auch an der Entwicklung in den kleineren, ländlich geprägten Gemeinden wie Baiern, Frauenneuharting und Bruck. Derzeit sind es dagegen gerade die kleinen Gemeinden, die den - gemessen an ihrer Einwohnerzahl - größten Geburtenüberschuss aufweisen.

Den Rekord hält die Gemeinde Bruck, die zu Jahresbeginn 2015 laut Statistik 1222 Einwohner zählte. Wo 1980 gerade ein Kind mehr geboren wurde als es Todesfälle gab, konnte man vergangenes Jahr insgesamt zwölf Mal Taufe feiern, musste aber nur vier Mal eine Beerdigung abhalten. Ähnlich ging es den jeweils rund 1500 Frauenneuhartingern und Emmeringern: hier wurden 23 beziehungsweise 20 Kinder geboren, neun Personen starben in Frauenneuharting, acht in Emmering. Immerhin knapp doppelt so viele Geburten wie Sterbefälle gab es in Pliening mit 57 zu 31, in Anzing mit 51 zu 25 und in Baiern mit elf zu sechs. Man könnte diese Zahlen dahingehend interpretieren, dass nach einer Zeit der Landflucht in den 1970er und 1980er Jahren wieder mehr junge Leute in die kleineren Orte ziehen und dort auch Familien gründen.

Mehr gestorben als geboren wird dagegen derzeit in den größeren Landkreiskommunen, in Grafing sind es 19 mehr Todesfälle als Geburten, in Ebersberg 16 und in Markt Schwaben 13. Am deutlichsten ist die Differenz schon seit Jahren in Vaterstetten: 2015 gab es dort 190 Geburten auf 232 Todesfälle, 2014 waren es 192 Geburten und 218 Sterbefälle, ähnlich sehen die Werte für das vergangene Jahrzehnt aus.

Dabei gehörte Vaterstetten bis in die 1980er Jahre sogar noch zu den Gemeinden mit dem größten natürlichen Zuwachs: Betrug dieser 1960 bei knapp 6700 Einwohnern noch 74, ein Jahrzehnt darauf 83 und 1980 bei 15 000 Einwohnern immerhin noch 38, gibt es seit den 1990er Jahren kein natürliches Wachstum mehr in Vaterstetten.

Dies lässt sich aus der Siedlungsentwicklung in Vaterstetten erklären: Die Bewohner der vor Jahrzehnten entstandenen großen Wohngebiete haben ihre Kinder längst bekommen, diese sind jedoch nicht in Vaterstetten geblieben. Nicht umsonst ist Vaterstetten die Gemeinde mit dem höchsten Altersdurchschnitt, fast ein Drittel der Bevölkerung ist bereits über 60, nahezu ein Viertel sogar 65 und älter.

Netto nimmt die Zahl der Vaterstettener aber dennoch zu: Mit der Ausnahme des Jahres 2011, als die Gemeinde um fast 800 Einwohner schrumpfte, gab es immer einen Zuwachs zwischen 200 und 500 Neubürgern pro Jahr. Wenn das neue Baugebiet Nordwest mit bis zu 1500 Einwohnern in zwei Jahren fertig ist, könnte sich der Geburten-Trend vielleicht auch wieder umdrehen.

Ungebrochen ist dieser in Poing, wo seit Jahrzehnten Wohnraum für junge Leute mit Familienwunsch gebaut wird. Im vergangenen Jahr gab es in der Gemeinde 84 Sterbefälle, aber es wurden 166 kleine Poinger geboren. 2014 gewann die Gemeinde fast die Hälfte ihres Zuwachses von 300 Personen über den Geburtenüberschuss, im Jahr 2011 war dieser mit 98 sogar höher als das Bruttowachstum, das 77 Personen betrug.

Einen Sonderfall bei der natürlichen Bevölkerungsentwicklung stellt die Gemeinde Glonn dar. Hier gibt es seit den 1960er Jahren zwar kaum Veränderungen bei den Geburten - pro Jahr sind es durchschnittlich um die 50. Allerdings ist die Zahl der Sterbefälle deutlich gestiegen, lag sie 1960 noch bei 26, waren es zehn Jahre später bereits 74, im Jahr 2000 schon 89 und vergangenes Jahr immerhin 70. Grund dafür dürfte das 1967 eröffnete Marien-Altenheim in der Gemeinde sein, in dem auch Menschen ihre letzten Tage verbringen, die nicht in Glonn geboren wurden.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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