"Bunt statt braun":Gemeinsam für Toleranz

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Seit zehn Jahren rüttelt das Bündnis gegen Ausgrenzung und Diskriminierung auf. Bei der Jubiläumsfeier in Ebersberg sind sich die Engagierten aber einig, dass ihnen die Arbeit leider nicht ausgeht

Von Thorsten Rienth, Ebersberg

Eigentlich will man von diesem Bündnis nichts wissen. Keinen Facebook-Post lesen, keine Stellungnahme hören. Denn so oft, wenn "Bunt statt braun" drunter steht, hat wieder etwas stattgefunden, das zu geißeln ist: Neonazis, die in Ebersberg einen Döner-Imbiss überfallen. Extreme Rechte, die in Grafing oder Poing Hakenkreuze an Wände schmieren. Oder die frühere Zornedinger CSU-Spitze, die gegen Flüchtlinge und den Pfarrer aus dem Kongo hetzt. Am Sonntagabend hat das Bündnis sein zehnjähriges Bestehen - und freilich auch sich selbst - gefeiert.

Unter den Gästen sind auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU), Landtagsabgeordnete Doris Rauscher (SPD) und Grafings Bürgermeisterin Anglika Obermayr (Grüne). (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Wir wollen in einem offenen und toleranten Landkreis leben, in dem es jedem Menschen möglich ist, frei von jeder Ausgrenzung, Diskriminierung und Bedrohung zu Hause zu sein", umriss Angela Warg-Portenlänger, eine der treibenden Kräfte hinter dem Bündnis, dessen Motivation. Dann rief sie: "In unserem Landkreis haben jede Form von Extremismus, Antisemitismus und Gewalt keinen Platz." Und ihre letzten Worte gingen im Applaus von gut und gerne 100 Besuchern in der Ebersberger Alten Brennerei unter.

Auch die Preisträger des Plakatwettbewerbs waren anwesend. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nicht wenige von ihnen gehörten im Herbst 2007 zu den ersten, die sich in die bald lange Liste von Unterstützern eintrugen: Die Kirchen, Schulen, einige Unternehmen, die Kreisverbände der Parteien - und Dutzende Vereine von der Soldaten- und Kriegerkameradschaft übers Kreiskartell der Trachtenvereine bis zum Ebersberger Frauennotruf. Eine so breite gesellschaftliche Front habe es im Landkreis noch nie zuvor gegeben, lobten CSU-Landrat Robert Niedergesäß und SPD-Bundestagsabgeordneter Ewald Schurer.

Bündnis-Koordinator Daniel Kalteis hält ein Plädoyer für Toleranz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

So verschieden die Hintergründe der "Bunt statt braun"-Beteiligten sein mögen, so klar einte sie in den zehn Jahren ein Grundkonsens: dass sich wachsender Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus nur dann gesellschaftlich zurückdrängen lässt, wenn sich möglichst viele Menschen engagieren. Und dieses Engagement flankiert wird von umfassender öffentlicher Aufklärung. Mit Diskussionsveranstaltungen über rechtsextreme Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft zum Beispiel oder mit Infoabenden über den NSU-Prozess. Mit einem Wettbewerb für kreative Sprüche gegen Neonazis oder Rechtsextremismus-Aufklärungsprojekte mit Fußballvereinen. Selten tritt das Bündnis dabei als einziger Veranstalter auf. Viel lieber sind ihm Kooperationen mit anderen Akteuren, zum Beispiel Gewerkschaften, Kreisjugendring, Kreisbildungswerk oder der Offenen Behindertenarbeit.

Tatsächlich machte sich das Bündnis in seinen zehn Jahren einen Namen. Leise und überlegt, wenn politische Überzeugungsarbeit anstand. Rührend und nachdenklich, wenn eine Mutter aus ihrem Buch "Wenn Kinder rechtsextrem werden" vorlas. Flippig und kreativ bei allerlei Band- und Kunstwettbewerben. Schnell und laut, wenn es so dringend jemanden brauchte, der aufrüttelte: Die spontane Mahnwache am Ebersberger Bahnhof etwa nach dem fremdenfeindlich motivierten Überfall auf einen Döner-Imbiss in Ebersberg samt nachfolgender Demo gegen Rassismus und für Meinungsfreiheit im Klosterbauhof. 3000 Menschen waren in Zorneding bei der Solidaritätskundgebung für Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende dabei. Parteipolitik blieb, selbst in Wahlkampfzeiten, stets außen vor.

Das sprach sich herum. Als der Bayerische Jugendring (BJR) vor sieben Jahren drei regionale Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus einrichtete, bekam Ebersberg auch wegen des "Bunt statt Braun"-Engagements für eine davon den Zuschlag. Seit dem Sommer ist die Beratungsstelle sogar zum "Büro Süd" der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern ausgebaut.

Alles bestens? Mitnichten, wie mit Daniel Kalteis einer der "Bunt statt braun"-Koordinatoren, klarstellte. "Es ist doch - weder im Landkreis, in Deutschland, der EU oder der ganzen Welt - zu übersehen, dass die Toleranz weniger wertvoll zu werden scheint." Die Bündnisarbeit gehe nicht aus. "Leider nicht."

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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