Bienen im Landkreis:Hungrig nach Sommer

Lesezeit: 3 min

Bienen finden im Landkreis wegen Kälte und Nässe kaum Futter. Deshalb wird es wohl nur wenig Blüten- und Waldhonig geben. Kurioserweise haben die Imker in der Stadt höhere Erträge als auf dem Land

Von Carolin Fries, Ebersberg

Die Bienen von Ingmar Kummrow aus Tegernau in Frauenneuharting sammeln Nektar in der fränkischen Schweiz. "Genau 300 Kilometer weit weg", wie der Imkermeister sagt. Der Kreisvorsitzende des Landesverbands Bayerischer Imker hat eine Wanderimkerei. Früher, erzählt er, habe er seine Bienenkästen auch schon mal ins Gebirge geschleppt. Nachts, wenn die Tiere im Stock sind. Warum er das macht? "Ich wandere der Tracht hinterher." Die Tracht, das sind Pollen und Nektar, die die Arbeiterbienen sammeln, um den Nahwuchs und sich selbst zu ernähren.

Wenn die landwirtschaflich genutzten Wiesen im Süden des Landkreises für die erste Silage gemäht werden, finden die Bienen kaum noch Futter. Es ist nicht so, dass der Fachagrarwirt und Imkermeister literweise Honig ernten will, "ich bin kein Honigjäger", sagt er. Der 50-Jährige hat sich auf die Königinnenzucht und Völkervermehrung spezialisiert - und auf Nischenprodukte wie zum Beispiel Gebirgshonig. "Es schmeckt schon anders, wenn da die ganze Vielfalt der Gebirgsblüten drin ist", schwärmt Kummrow und erwähnt die Alpen-Anemone.

Idyllisch stehen die Bienenkästen der Imkerei Krumpholz in Zorneding unter alten Bäumen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Etwa 300 Imker gibt es im Landkreis Ebersberg, 98 Prozent davon sind Hobbyimker. Die Frühjahrsernte ist seit Anfang Juni eingefahren. Regional schwanken die Erträge, insgesamt sind die Imker im Landkreis zufrieden. Viel mehr noch als an dem klebrig-süßen Ertrag erfreue man sich aber an der Natur, an der Pflanzen- und Tierwelt und ihrem Zusammenspiel, sagt Kummrow. Die Wunderwelt Bienenstock verstehen - "viele suchen einfach ein sinnvolles Hobby in der Natur." Den Honig, den sich die Bienen als Wintervorrat ansammeln: Es gibt genug Imker, die ihn ihren Völkern gar nicht wegnehmen.

Wer in diesem Jahr allerdings zu viel vom Frühjahrshonig aus dem Bienenstock genommen hat, handelte riskant - und musste in den vergangenen Tagen mitunter eine Notfütterung vornehmen. Denn: "Danach war draußen nichts mehr da", wie Richard Hörl vom Bienenzuchtverein in Forstinning erzählt. In der Fachsprache nennt man das Trachtlücke, wenn für die Bienen nichts mehr zu holen ist in den Blüten. Die Raps-, Löwenzahn- und lange Obstbaumblüte ist vorbei, eigentlich müssten danach die Sommerblüher, auch Kastanien und Akazien den Bienen reichlich Stoff bieten. Doch der Nektar steht nur bereit, wenn die Temperaturen stimmen, 18 Grad Celsius sollte es schon haben. So kalt wie in den vergangenen Wochen dürfe es jedenfalls nicht sein. Und auch nicht so nass. Der Regen habe die Ernte "verwaschen" wie Hörl sagt. Er blickt nach vorn, hofft, dass der Sommerhonig trotzdem noch wird, die Linden in den kommenden Wochen reichlich Ertrag bringen - und auf den Waldhonig, das dunkle, flüssige Gold der Bienen. "Der Imker hofft immer."

Bis zu fünf Kilometer vom Stock entfernt suchen die Bienen Pollen und Nektar. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Momentan sieht Hörl allerdings schwarz: "Es gibt keine Läuse." Nur sie können die saftigen Triebe der Bäume anstechen und den sogenannten Honigtau ausscheiden, den sie auf Blättern und Nadeln hinterlassen und welcher von den Insekten eingesammelt wird. In höheren Lagen soll es Läuse geben, berichtet Hörl, der mutmaßt, dass der starke Regen sie im Landkreis womöglich weggespült hat. Franz Brand vom Imkerverein Münchner Osten-Haar-Vaterstetten ist positiver gestimmt "Die Witterungsbedingungen für die Läuse sind eigentlich ideal, das wird schon." Überhaupt scheint der Stadtimker besser gelaunt als der Imker auf dem Land. Woran das liegt? "Die Imker in der Stadt erwirtschaften ein Drittel mehr Honig", sagt Brand.

Der Grund für die Ernteverteilung sind die Monokulturen auf den Feldern der Landwirte. Aktuell steht in manchen Gebieten kilometerweit nur Mais oder Getreide auf den Feldern. "Da finden unsere Damen einfach nichts mehr", erklärt Walter Götz vom Bienenzuchtverein in Hohenlinden. Bis zu fünf Kilometer weit vom Stock entfernt suchen die Bienen nach Pollen und Nektar, mitunter verbrauchen sie dabei ihren Ertrag nahezu selbst. In der dicht besiedelten Stadt sieht es da schon besser aus: Auf jedem noch so kleinen Balkon blühen Schnittlauch, Thymian und Zitronenmelisse, in den Gärten der Einfamilien- und Doppelhäuser wachsen Sonnenblumen und Zinien, an den Goldfischteichen steht der rotviolette Blutweiderich. Auf dem Land, umgeben von Natur in Hülle und Fülle, freut sich der Imker inzwischen über blühende Friedhöfe, Erdbeerfelder und Blumenfelder zum Selberpflücken in der Nähe seiner Bienenstöcke.

Viele Völker müssen in diesen Wochen hungern: Sie finden kaum Pollen und Nektar. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Immer mehr Menschen im Landkreis imkern in ihrer Freizeit. An den Bienen-Lehrständen der Bienenzuchtvereine im Landkreis - etwa in Zorneding, Forstinning oder Halbing - können sie an der Seite eines Paten ohne großen Aufwand den Umgang und die Arbeit mit den Bienen lernen, mit Waldtracht-Beobachtungsgruppen durch die Wälder ziehen, und nach Läusen Ausschau zu halten oder an Stammtischen über Funkwaagen fachsimpeln, auf die man die Bienenstöcke setzt, um schließlich Nachrichten auf das Smartphone zu bekommen, wie viel süßen Blütensaft die Arbeiterinnen in den Stock gebracht haben. Erst kürzlich hat ein Vater seinen fünfjährigen Sohn für einen Anfängerkurs angemeldet. "Er muss die Familie so lange mit seinem Bieneninteresse terrorisiert habe, bis der Vater angerufen hat", sagt Kummrow.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: