Bewährungsstrafe:Rauschgiftdepot im Couchtisch

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22-Jähriger gibt an, die Drogen zur Therapie gegen ADHS verwendet zu haben. Die Richter überzeugt er damit nicht

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Manchmal enden Freundschaften recht abrupt. Dann zum Beispiel, wenn einer den anderen verpetzt. Wie bei einem Fall, den das Ebersberger Amtsgericht jetzt verhandelte: Ein 23-jähriger Mann geriet im vergangenen Mai mit seinem Auto in eine Polizeikontrolle, während er unter Drogeneinfluss stand. Die Staatsanwaltschaft bot ihm an, die geforderte Strafe zu mildern, sofern er die Namen seiner Dealer verrate. Das tat er dann auch. Einer davon musste sich nun vor dem Schöffengericht wegen unerlaubten Besitzes und Handels von Betäubungsmitteln verantworten.

Fast 80 Gramm Marihuana, ein wenig Haschisch, MDMA, LSD und Speed - eine üppige Menge an Drogen, die die Polizei bei dem 22-Jährigen, der damals noch im nördlichen Landkreis wohnte, sicherstellte. Alles für den Eigenbedarf, wie der Mann vor den Schöffinnen und Richter Markus Nikol behauptete. Gehandelt habe er mit den Betäubungsmitteln noch nie. "Ich habe das genommen, weil ich ADHS habe und es mir durch die Drogen besser ging", sagte der Angeklagte.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung diagnostizierte ein Arzt dem Mann bereits im Kindesalter. Das belegt ein entsprechendes Attest, das dem Gericht vorlag. In seiner Jugend kam er das erste Mal mit Drogen in Kontakt und merkte nach eigenen Angaben, dass der Konsum seine ADHS-Symptome milderte. Bei seiner Krankenkasse stellte er deshalb einen Antrag auf eine Behandlung mit medizinischem Cannabis, der jedoch abgelehnt wurde. Also fing der 22-Jährige an, sich die Drogen auf illegalem Wege zu beschaffen.

Im Durchschnitt habe er jeden Tag drei Gramm Marihuana geraucht. Für gewöhnlich vertragen eine solche Menge nur sehr regelmäßige Konsumenten, ohne danach völlig berauscht und apathisch auf der eigenen Couch auszuharren. "Wie muss ich mir das vorstellen: Sie standen morgens auf und rauchten erst einmal einen Joint, und das ging dann gleichbleibend über den Tag verteilt so weiter?", erkundigte sich Richter Nikol bei dem Angeklagten nach dessen genauem Tagesablauf. Genau so sei es damals gewesen, versicherte der 22-Jährige. Es sei keine Art von Feier-Genuss gewesen, sondern ein konstanter Konsum über alle Wochentage und alle Tageszeiten hinweg verteilt. "Mir ging es dadurch körperlich und mental besser, und ich trank auch viel weniger Alkohol."

Zu dem Zeitpunkt, als die Polizei die Drogen bei dem Angeklagten sichergestellt hat, war der Mann arbeitslos. Abzüglich Miete hatte er 400 bis 500 Euro monatlich zur Verfügung. "Wie kommt es, dass Sie dann für zirka 1500 Euro Drogen besitzen konnten?", wollte Richter Nikol wissen. Der 22-Jährige behauptete, das habe an seinem großen Freundeskreis gelegen, die ihm die Drogen billiger verkauft hätten. "Ich habe dafür nur ungefähr 750 Euro gezahlt." Die skeptischen Blicke von Richter Nikol und den zwei Schöffinnen verrieten, dass sie diese Antwort nicht befriedigte: Für jemanden mit einem Monatsbudget von maximal 500 Euro ist das immer noch zu viel. Hat er also doch auch mit den Drogen gehandelt, um sich seinen Konsum überhaupt leisten zu können?

Das bestritt der Angeklagte vehement. Der 23-jährige Mann, der den Polizeibeamten den Namen des Beschuldigten als einen seiner Dealer nannte, sei zwar an dem Tag der Kontrolle bei ihm gewesen, um Drogen zu kaufen. "Aber das habe ich verweigert, weil ich ja nichts verkaufe und das Zeug für mich gebraucht habe", sagte der 22-Jährige. Das wiederum leugnete der ehemalige Freund und angebliche Kunde, der als Zeuge vor Gericht aussagte. "Das letzte Mal, dass ich bei ihm etwas gekauft habe, muss im März oder April 2017 gewesen sein", und damit noch vor der Polizeikontrolle. Was für die Version des 23-jährigen Zeugen sprach, war sein Wissen über den Ort, an dem der Angeklagte seine Drogen versteckte: in einem kleinen Schubfach seines Couchtisches.

In ihrem Plädoyer zeigte sich die Staatsanwältin nicht überzeugt von der Aussage des Angeklagten. "Die erhebliche Menge, die bei ihm gefunden wurde, spricht dagegen, dass es für den reinen Eigenbedarf war." Sie erkannte aber die positive soziale Entwicklung des 22-Jährigen an, der mittlerweile regelmäßig zur Drogenberatung geht, in einem Jugendwohnheim in einem anderen Landkreis wohnt und sich um einen Ausbildungsplatz bemüht.

Das Schöffengericht blieb mit seinem Urteil letztlich auch nur vier Monate unter der geforderten Freiheitsstrafe der Staatsanwaltschaft: ein Jahr und vier Monate Haft auf Bewährung sowie eine Geldauflage von 1500 Euro, was dem Wert der gesamten Drogen entspricht, die der Angeklagte zu dem damaligen Zeitpunkt besaß.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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