Betreuung für kranke Kinder:Neustart für Vorzeigeprojekt

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Die Initiative "Kinder werden daheim gesund" soll berufstätigen Eltern den nötigen Freiraum verschaffen. Doch nur wenige nutzen das Angebot - jetzt soll es überarbeitet werden

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Im Büro steht ein wichtiger Termin an, der Kollege ist im Urlaub, stressig wird es auf jeden Fall. Und dann das: Am Abend vorher klagt die Tochter über Bauchweh, auch leichtes Fieber hat sie. Unmöglich, sie in die Kita zu schicken. In solchen Fällen hilft seit 2010 im Landkreis das Projekt "Kinder werden daheim gesund". Kurzfristig werden zuverlässige Helfer vermittelt, die sich um das kranke Kind kümmern, während die Eltern in der Arbeit sind. Doch der Service wird derzeit nicht so genutzt, dass es den hohen Organisations- und Verwaltungsaufwand rechtfertigen würde - und somit auch die hohen Kosten für den Landkreis. Nun soll das Konzept überarbeitet und erprobt werden - erst danach wird entschieden, ob das Projekt eine Zukunft hat. So hat es der zuständige Sozialausschuss des Kreistags in seiner jüngsten Sitzung entschieden.

Gestartet war "Kinder werden daheim gesund" im Jahr 2009 in Poing unter dem Dach des Vereins Kinderland. Seit 2010 wird der Service landkreisweit angeboten. Deutschlandweit hatte das Projekt viel Aufmerksamkeit erregt, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eingerichtete Servicestelle Lokale Bündnisse für Familie in Berlin hatte das Projekt als "Bündnis des Monats Februar 2014" ausgezeichnet. Der Landkreis lässt sich das Angebot durchaus etwas kosten, derzeit zahlt er 8000 Euro jährlich dazu. Doch auch für die Eltern ist es nicht kostenlos, wenn sie die Helfer bitten, bei ihnen einzuspringen. Sechs Euro pro Stunde und die Anfahrtskosten werden fällig. Und das ist nach einer ersten Analyse der Organisatoren schon eines der Probleme von "Kinder werden daheim gesund". Denn finanziell gut gestellte Eltern können sich das zwar locker leisten - für Familien mit geringem Einkommen oder auch Alleinerziehende bringt ein Tag Krankenbetreuung für ihr Kind schon leicht das knappe Budget durcheinander. Zwar gibt es theoretisch einen Fördertopf für solche Fälle, dieser wird jedoch kaum in Anspruch genommen. Ob das nun deshalb sei, weil die Eltern Hemmungen hätten, danach zu fragen, oder deshalb, weil ihnen diese Möglichkeit gar nicht bekannt sei, sei unklar, sagte Familienbeauftragte Carola Schreiner im Ausschuss.

Auch regional gibt es große Unterschiede bei der Nutzung des Angebots. Während aus dem Nordwesten des Landkreises vergleichsweise viele Anfragen kommen, wird der Service im Süden so gut wie gar nicht genutzt. Das liegt nach Einschätzung Schreiners zum großen Teil an der unterschiedlichen Bevölkerungsstruktur: Während im Norden viele Familien zuziehen, die dort kein Netzwerk an Bekannten und Familienmitgliedern haben, die im Bedarfsfall einspringen, können die alteingesessenen Familien im Süden noch eher privat Hilfe organisieren. Möglicherweise, so Schreiner, sei den Betroffenen im Süden auch nicht bekannt, dass die Helfer im ganzen Landkreis im Einsatz sind.

Derzeit jedenfalls ist der finanzielle Aufwand für das Projekt angesichts der schwachen Nutzung zu hoch, darauf weist Kinderland Plus als Träger hin. "Wir haben das jetzt sechs Jahre versucht, die Erfahrungen haben uns nachdenklich gemacht", sagte Maria Boge-Diecker, die Geschäftsführerin von Kinderland Plus. Auch im Ausschuss teilte man die Meinung, dass es so wie es ist, nicht weiter gehen kann. Derzeit, das rechnete Alexander Müller (CSU/FDP-Fraktion) im Ausschuss vor, zahlt der Landkreis zu jeder Betreuungsstunde 27,60 Euro dazu: "Da muss was passieren."

Boge-Diecker sagte, man wolle das Konzept von einer Fachkraft überarbeiten lassen, eventuell könne eine stärkere Regionalisierung hilfreich sein. Auch die Honorierung der Ehrenamtlichen müsse man überdenken. Die Ausschussmitglieder stimmten dem Vorschlag zu, hierfür wird das Projekt, das eigentlich Ende September auslaufen würde, nochmals bis Ende 2017 verlängert. Ein neues Konzept soll in den nächsten Monaten erarbeitet und dem Sozialausschuss im Frühjahr 2017 vorgelegt werden. Anschließend findet die Erprobung statt - ob es dann weiter geht, wird erst danach entschieden.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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