Bayerns berühmtester Wilderer:Neues vom Mörder des Girgl Jennerwein

Lesezeit: 3 min

So könnte es ausgesehen haben, damals, am Peißenberg bei Tegernsee: Georg Jennerwein sitzt auf einem Holzstumpf und macht, das Gewehr im Schoß, Brotzeit. Er ahnt nicht, dass sich von hinten der Pföderl Josef anschleicht. (Foto: Bestand von Schorsch Kirner)

Bisher war über den Jäger Josef Pföderl und sein Motiv wenig bekannt. Ein Baldhamer Hobby-Historiker glaubt nun, neue Erkenntnisse gefunden zu haben - und die Mordwaffe.

Von Korbinian Eisenberger

Pföderl, da Deifi soll di hol'n." So könnten sie gelautet haben, die letzten Worte des berühmtesten Wilderers Bayerns. Am 6. November 1877, als der damals 29-jährige Georg Jennerwein seinen Mörder traf. So steht es in einem Heft, das der Baldhamer Hobby-Historiker Schorsch Kirner vor kurzem herausgegeben hat. In dieser Woche hat der 82-Jährige seine Recherchen nun erstmals auf einer Bühne vorgestellt. Reichlich spannend war's im Offenen Haus in Vaterstetten, ob dieser unbekannten Details und wegen der Flinte, die Kirner dabei hatte. Aus ihrem Lauf soll die Kugel gekommen sein, die einem Schütz in seinen besten Jahren den Garaus machte.

1 / 4
(Foto: Bestand von Schorsch Kirner)

Wie sich der Pföderl an den Jennerwein ranschlich, hat Schorsch Kirner mit dem Strich der damaligen Zeit malen lassen.

2 / 4
(Foto: Bestand von Schorsch Kirner)

Dieses Foto zeigt Bayerns berühmtesten Wilderer vermutlich ein letztes Mal mit seiner Familie.

3 / 4
(Foto: Bestand von Schorsch Kirner)

Das Gewehr (oben), so sagt Schorsch Kirner, sei über seine Taufpatin und andere Umwege in seinen Besitz gelangt.

4 / 4
(Foto: Bestand von Schorsch Kirner)

"Mörder", "Der Teufel soll dich holen": Patronen als Grabbeigaben für Jennerwein.

Die Frage ist, was von den neuen Erkenntnissen des Heftes "Girgl Jennerwein - Wie es wirklich war" tatsächlich so passiert ist. Kirner ist kein Historiker. Er bezeichnet sich selbst als Abenteurer, als solcher ist der Sammler und Autor seit Jahrzehnten über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannt. Sein Heft, das vor einigen Monaten anlässlich Jennerweins 140. Todestags herauskam, gibt zwar erstaunlich tiefe Einblicke. Es beantwortet möglicherweise viele offene Fragen. Und doch muss man Restzweifel haben.

Der stolze Wildschütz

Durch seinen dramatischen Tod ist der Schlierseer Georg Jennerwein der Inbegriff des stolzen Wildschützen geworden. Als einer, der sich mit dem Schießgewehr gegen die staatliche Obrigkeit auflehnte - und dabei ums Leben kam. Zahlreiche Autoren haben über ihn Bücher und Artikel verfasst, gar einen Film haben sie gedreht, mit dem späteren Oscar-Preisträger Christoph Walz als Mörder Joseph Pföderl.

So soll der Mörder ausgesehen haben: Ein Porträt von Josef Pföderl, gezeichnet von Manfred Bayrer 2017. (Foto: Bestand von Schorsch Kirner)

Zeitzeugen gibt es ja längst nicht mehr, die Aufzeichnungen zum Georg Jennerwein sind lückenhaft. Seine Geschichte setzt sich aus alten Zeitungsartikeln, knappen Gerichtsprotokollen, dem Jennerwein-Lied und Vermutungen zusammen. Immerhin: Übereinstimmende Quellen belegen, dass er ein talentierter Schütze war, ein Weiberer und ein fleißiger Wirtshausbesucher. So gut wie nichts ist hingegen von dem bekannt, der ihn damals auf dem Peißenberg bei Tegernsee heimsuchte. Und welches Motiv er hatte.

Umso erstaunlicher ist es, dass nun ein Baldhamer ganze Dialoge des großen Unbekannten präsentiert. Die wichtigste Quelle sind Überlieferungen seines Großvaters. Der soll den Jäger Simon Lechenauer gekannt haben, der am Todestag Jennerweins auf dem Peißenberg unterwegs war. Er soll drei Schüsse in seinem Revier gehört haben. In den Aufzeichnungen Kirners verdächtigte der Jäger den damaligen Jagdgehilfen Josef Pföderl und stellte ihn zu Rede.

Pföderl, der später vom Königlichen Amtsgericht zu (nur) acht Monaten Gefängnis verurteilt wurde, soll demnach erwidert haben: "I hab' den Jennerwein erschossen", also ein Geständnis, das es vor Gericht nie gab. "Der hat es schon lange verdient, der Lump", soll Pföderl gesagt haben. "Mei Agerl hod er mia ausg'spannt und unter großem Spott hod er mia an Gamsbart unter d' Nosn g'halten und g'sogt: 'Solch schene Bleamal blüh'n bei eich im Garten, aber brocka tua's i!" Daraufhin habe er ihm Rache geschworen "und heid is endlich de Stund' kemma."

Der Hobby-Historiker Schorsch Kirner hat sich lange mit der Geschichte des Georg Jennerwein befasst. (Foto: ; oh)

Kirner schildert Details eines Eifersuchtsdramas, die so bisher nirgendwo standen

Wie kommt man an solch präzise Dialoge? Am Freitag erklärt Kirner am Telefon, dass sein Großvater ihm vor Jahrzehnten schriftliche Aufzeichnungen vermacht habe. "Ich habe darüber hinaus jahrelang recherchiert", sagt er. So erhielt er Einblick in die Akten des Jennerwein-Prozesses vor dem königlich bayerischen Amtsgericht. Was er dort las, habe zu den Überlieferungen des Großvaters gepasst.

Ein Großteil der neuen Erkenntnisse stützt sich auf eine Quelle. Die 60-seitige Veröffentlichung muss aber keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, um interessant zu sein. Zumal es schwer sein dürfte, die Gesprächsnotizen zu widerlegen. Plausibel ist etwa, dass Pföderl es bei den Frauen eher schwer hatte. Dazu passt ein Foto aus dem Buch "Tegernsee in alten Bildern" (Band 1, herausgegeben von Hans Halmbacher), das in Kirners Heft zu sehen ist. Es soll Josef Pföderl auf einem Fest um 1885 zeigen. Darauf zu sehen: ein tanzender Mann mit vergilbter Trachtenjoppe. Sein Arm verdeckt das Gesicht. Klarer ist der Ausdruck einer Frau zu erkennen, die er zum Tanze führt. Ihr Blick verrät Unbehagen, so als hoffe sie, dass die Musik bald zu spielen aufhört.

In Vaterstetten hörten gut 60 Gäste gespannt zu, auch weil Kirner Details eines Eifersuchtsdramas schilderte, die so bisher nirgendwo standen. Der Streit um das fesche Agerl endet bei Kirner nicht andersals bisher bekannt. Da schleicht sich von hinten der Pföderl an, schießt ihm in den Rücken und lässt sein blutendes Opfer liegen. Drei Stunden später kommt er zurück, zieht dem Girgl den Schuh aus, nimmt sich dessen Gewehr, klemmt den großen Zeh in den Abziehbügel und drückt zweimal ab. Der Kiefer des Ermordeten soll in einem Baum gehangen haben. Der Wildschütz ward von seinem eigenen Gewehr getroffen.

Und die Todesflinte? Auf Umwegen sei sie bei seiner Taufpatin gelandet, und schließlich bei ihm, sagt Kirner. Er hat Waffenexperten hinzugezogen, die bestätigten, dass es sich um ein Gewehr von damals handeln muss. Ob es wirklich die Waffe war, die das Leben von Bayerns berühmtesten Wilderer auslöschte, dürfte das Geheimnis des Opfers und seines Mörders bleiben.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: