Baiern:Eine aufgewärmte Liebe

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So funktioniert musikalische Völkerverständigung: Als die "Bairer Musi" anfängt zu spielen, schwingen die Gäste aus Italien das Tanzbein. (Foto: Christian Endt)

Die "Bairer Musi" empfängt eine Musikkapelle aus Pont-Saint-Martin im Aostatal. Vor 20 Jahren schon pflegte man eine Freundschaft zu einem Chor aus dem Ort. Die italienischen Gäste werden mit einem Ständchen in Tracht begrüßt - wie gewohnt barfuß

Von Carolin Fries, Baiern

Es dauert nur eine Stunde, bis getanzt wird. Eleonora fasst Beatrice an der Hand, und schon drehen sich die jungen Frauen nach fast zehnstündiger Busfahrt zur Blasmusik im Walzerschritt durchs Vereinsheim in Antholing. Die beiden sind Mitglieder der "Banda Musicale" aus Pont-Saint-Martin, einer etwa 4000 Einwohner großen Gemeinde aus dem italienischen Aostatal. Drei Tag lang werden die insgesamt 52 Musiker sowie der Busfahrer in Baiern, ihrer musikalischen Partnergemeinde, Urlaub machen. Erst vor wenigen Wochen waren 33 Musikanten der "Bairer Musi" für fünf Tage im Aostatal gewesen. Die Wiedersehensfreude ist an diesem Donnerstagnachmittag groß. Franz, 17, Markus, 18, und Lucie, 23, aus Baiern stehen an der Theke und schenken Bier aus. "Mit denen kannst richtig Gaudi haben", sagt Franz. Baierns Bürgermeister Josef Zistl ahnt schon: "Das werden anstrengende Tage."

Die junge Partnerschaft der musikalischen Gruppen ist genauer betrachtete eine aufgewärmte alte Liebe. Vor 20 Jahren nämlich, so erzählt Alexander Müller, habe die Gemeinde Baiern eine Partnerschaft zum Bergsteiger-Chor "Monte Rosa" im Aostatal gepflegt. Von den Besuchen und Gegenbesuchen, die irgendwann einschliefen, blieb eine Brieffreundschaft Müllers zu dem italienischen Hüttenwirt Naldo Finco. So erfuhr Müller, dass dessen Töchter in der örtlichen Blaskapelle spielten - und schlug einen Austausch mit der "Bairer Musi" vor. Dass sich auch die folgenden Generationen so gut verstehen, zaubert ihm ein Dauerlächeln ins Gesicht. "Das ist für mich Europa", sagt er. Alle Italiener hat er privat bei Familien im Dorf untergebracht, ihn selbst werden an diesem Abend fünf Besucher begleiten. Bürgermeister Zistl wird zwei Gäste beherbergen, darunter den Bürgermeister Pont-Saint-Martins, Marco Sucquet. Er spielt die Tuba in der italienischen Blaskapelle. "Es ist das erste Mal, dass wir einen Austausch mit Deutschland machen", sagt er. Sowohl mit einer Gemeinde in Spanien als auch mit der gleichnamigen Kommune in Frankreich bestehe bereits eine feste Städtepartnerschaft. Ob er sich eine weitere Verbindung mit Baiern vorstellen kann? "Si, si", sagt der Bürgermeister sofort, "auf der musikalischen Ebene sowieso". Auch Bürgermeister Zistl steht einer solchen Partnerschaft offen gegenüber, "so wie es ausschaut, sind das ja sehr nette Leute". Doch "gut Ding braucht Weile", sagt er und dass sich Ehepartner erst einmal prüfen müssten. Außerdem habe da auch der Gemeinderat noch ein Wörtchen mitzureden. Man wird sich aber sicher nahe kommen, so Zistl. "Nach zwei Weißbier klappt das auch sprachlich."

Tatsächlich wird überall munter französisch, italienisch und englisch durcheinandergeplappert. Dann zeigt Josef Zistl ein paar Bilder der Gemeinde auf einer Leinwand: ein Regenbogen über Berganger, eine Kapelle im Schnee, Alpenpanorama. Die Gäste seufzen vor Begeisterung. Doch was sie weit mehr schätzen als die landschaftliche Idylle ist die Freundlichkeit und Fröhlichkeit ihrer Gastgeber. Die seien "always happy", wie Eleonora, 20, sagt. Allerdings auch ein bisschen verrückt: "They don't wear shoes", erzählt sie: Als sie aus dem Bus stiegen, da seien die Bairer barfuß und in Tracht dagestanden, die Musikinstrumente in der Hand, bereit für ein Ständchen. Ja und dann ist da natürlich noch die Musik. Die "Banda Musicale" ist eher symphonisch ausgerichtet, spielt klassische Stücke. Ihr Dirigent Walter Chenuil ist Professor für Horn an einem Musikinstitut in Aosta. "Wenn wir für einen Wettbewerb üben, ist er streng", sagt die Klarinettistin Sylvie Consol, die Deutsch in Turin studiert hat und nach deren Übersetzerqualitäten regelmäßig gerufen und gewunken wird. Die jungen Mitglieder der "Bairer Musi" betonen, wie gut die Italiener seien, "drei Löffel über uns". Die Italiener wiederum bewundern die bairische Volksmusik. Bariton-Saxofonist Marco Favaro sagt, dass sich ein paar der italienischen Musiker zu einer "partygroup" zusammen geschlossen hätten: "Da versuchen wir auch, Volksmusik zu spielen." Er freue sich am meisten darauf, hier in Baiern nun auch endlich "the typical dancers" zu sehen. Lange hat er nicht warten müssen. Noch für Donnerstagabend - nach dem Abendessen in den Familien - waren die Alphornbläser und Plattler ins Vereinsheim eingeladen. Am Freitagmorgen ging es dann frühmorgens los in Richtung Herrenchiemsee, für den Nachmittag waren Plätze auf dem Herbstfest in Rosenheim reserviert.

An diesem Samstagabend werden die Gäste dann bei einer Abendserenade ihr musikalisches Können unter Beweis stellen. Konzertbeginn ist um 19 Uhr am Alten Turm in Jakobsbaiern, bei schlechtem Wetter im Vereinsheim. "Wenn es klappt, dann werden wir auch ein paar Stücke zusammen spielen", sagt Rudi Wiltsch, erster Vorstand der "Bairer Musi". Der Eintritt zum Konzert ist frei.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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