Anton Euringer junior:"Man muss Spielräume zu nutzen wissen"

Lesezeit: 4 min

Der Landkreis Erding hat einen Kompensationsmanager eingestellt, der beim Thema Ausgleichsflächen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vermittelt. Das Modell könnte ein Vorbild für Ebersberg werden

Interview von Anja Blum

Boden sei überall Mangelware: als Bauland, aber auch in der Landwirtschaft sowie im Naturschutz, nämlich als Ausgleich für Baumaßnahmen, sagte Max Finster von der Unteren Naturschutzbehörde in Ebersberg kürzlich im SZ-Interview - und empfahl dem Landkreis, eine Art Flächenmanager einzustellen. In Erding ist dies bereits geschehen. Anton Euringer junior kümmert sich dort als sogenannter Kompensationsmanager um einen möglichst sinnvollen, sparsamen Umgang mit Flächen - bayernweit ein Novum.

Herr Euringer, seit wann gibt es Ihre Stelle am Erdinger Landratsamt schon?

Seit Ende 2012, also etwa vier Jahre. Sie ist in der Abteilung Bauen, Umwelt und Natur angesiedelt.

Wie ist sie entstanden?

Das war eine politische Entscheidung von Landrat Martin Bayerstorfer gemeinsam mit den Bürgermeistern des Landkreises - angesichts des erheblichen Flächenverbrauchs, den wir auch in unserem Landkreis ganz extrem haben. Der Flughafenausbau, die Erdinger Nordumfahrung, der S-Bahn-Ringschluss: Es stehen große Vorhaben an. Dabei darf man nicht vergessen: Nicht nur die Eingriffe verbrauchen Grund und Boden, sondern auch die Ausgleichsmaßnahmen dafür, die der Gesetzgeber aus Gründen des Naturschutzes zwingend vorschreibt. Und das wiederum geht fast immer auf Kosten der Landwirtschaft, die durch den Ausgleich zumeist für sie wertvolle Flächen verliert.

Und hier kommen Sie ins Spiel?

Ja, genau. Ich bin Berater für Kommunen, Bauherren und Grundeigentümer - mit dem Ziel, zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zu vermitteln. Also mit optimiertem, auch reduziertem Flächenverbrauch für den nötigen ökologischen Ausgleich von baulichen Eingriffen zu sorgen und dabei die landwirtschaftlich besten Flächen möglichst zu verschonen. Ich versuche einfach, in den Kompensationsprozess sinnvoll lenkend einzugreifen.

Zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu vermitteln, ist Aufgabe des Erdinger Kompensationsmanagers. Die Feldlerche zum Beispiel mag weiträumige Flächen mit Vegetation aus Gräsern und Kräutern wie hier in Neufarn. (Foto: privat)

Wie kann das gelingen?

Da gibt es viele verschiedene Ansatzpunkte. Das fängt schon damit an, dass ich bei größeren Bauvorhaben die Berechnungen für den Ausgleich aus meinem Blickwinkel überprüfe. Dabei stellt sich durchaus das ein oder andere Mal heraus, dass die Fläche nach den rechtlichen Standards zu groß veranschlagt wurde - also reduziert werden kann. Außerdem bin ich bei der Suche nach geeigneten Ausgleichsflächen behilflich und achte dabei darauf, Standorte zu vermitteln, die für die Landwirtschaft weniger interessant sind. Nasse Wiesen, Ufergrundstücke zum Beispiel oder starke Hanglagen. Auch Tauschgeschäfte sind hier durchaus möglich. Denn die unterschiedlichen Interessen von Landwirtschaft auf der einen und Ausgleich auf der anderen Seite zu berücksichtigen, kommt auch dem Naturschutz zugute: Akzeptierte Ausgleichsflächen leben besser und länger. Eine Fläche, um die herum intensive Landwirtschaft betrieben wird, ist für ökologische Maßnahmen nämlich nicht immer die beste Wahl.

Das klingt logisch. Welche Instrumente stehen Ihnen noch zur Verfügung?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ich Möglichkeiten aufzeige, wie man die ökologische Wertigkeit eines Areals und damit seinen Ausgleichswert steigern, also mehr Ausgleich bei gleichbleibender Größe erreichen kann. Qualität statt Quantität eben. Das kann durch spezielle Anlage, durch Pflegeoptimierung geschehen oder durch die Vernetzung verschiedener Lebensräume. Auch Forstflächen kann man wunderbar für Ausgleich nutzen, etwa, indem man aus einem reinen Nadel- einen ökologisch hochwertigen Mischwald macht. Selbst die Möglichkeit einer produktionsintegrierten Kompensation gibt es: Das bedeutet, dass eine landwirtschaftliche Fläche ökologisch aufgewertet, aber dennoch weiter bewirtschaftet wird - mit akzeptablen Nutzungseinbußen. Zum Beispiel kann man in einem Weizenfeld sogenannte Lerchenfenster anlegen, also "Landebahnen", die die Vögel vor allem zur Jungenaufzucht gerne nutzen . Ein so genannter Mehrfachnutzen: Der Eingriffsverursacher kann den Artenausgleich nachweisen und der Landwirt bekommt seine Ertragseinbußen vollständig ausgeglichen.

Aber sind Ausgleichsmaßnahmen für Bauprojekte nicht in einem ziemlich engen gesetzlichen Rahmen geregelt?

Ja, schon, aber es gibt immer Ermessensspielräume. Man muss sie eben zu nutzen wissen und wollen - und natürlich jeden Einzelfall konkret prüfen. Als Beispiel könnte man hier den multifunktionalen Ausgleich nennen: Wenn ein Bauvorhaben eine Ausgleichsfläche von 5000 Quadratmeter erfordert und zusätzlich für eine betroffene Vogelart 3000 Quadratmeter veranschlagt werden, landet man eigentlich insgesamt bei 8000 Quadratmetern. Allerdings ist es fachlich möglich und rechtlich zulässig, beide Ziele auf einem Areal zu vereinen - gelingt das, hat man 3000 Quadratmeter gespart.

Haben Sie einen Pool an Flächen zur Verfügung, aus dem Sie schöpfen können?

Nein, das nicht direkt. Aber mir liegen laufend Verkaufsangebote von Grundeigentümern vor. Dann kann ich vermitteln. Wenn Landwirte Grund verkaufen wollen, schaue ich mir die Fläche an und erstelle in Absprache mit meinen Kollegen vom Naturschutz ein Konzept, wie sie als Ausgleichsfläche optimal gestaltet werden könnte. Und da ich bei der Bauleitplanung und größeren Vorhaben im Landkreis immer eingebunden bin, weiß ich auch, wann welche Ausgleichsflächen gebraucht werden. Schließlich taugt nicht jeder Standort für jedes Vorhaben. Wenn zum Beispiel spezielle Tierarten von einem Eingriff betroffen sind, muss auch der neue Standort für die Art geeignet sein. Ein Vorteil davon, dass ich bei größeren Vorhaben von Anfang an eingebunden bin, ist auch, dass das jeweilige Genehmigungsverfahren problemfreier und womöglich schneller abgewickelt werden kann.

Ihre Stelle ist in Bayern bislang einzigartig - und eine Empfehlung wert?

Ja, unbedingt. Es ist einfach gut, wenn jemand einen Überblick hat: Wo gibt es potenzielle Ausgleichsflächen? Wo herrscht Bedarf? Und diese Prozesse ein wenig steuert. Auch für die Führung der kommunalen und privaten Ökokonten bin ich mitverantwortlich. Ich habe jedenfalls alle Hände voll zu tun, denn das Beratungsangebot spricht sich gerade bei den Gemeinden immer mehr herum. Letztens habe ich für eine Kommune Konzepte für etwa hundert Flächen samt Ranking erstellt.

Woher haben Sie die Qualifikationen ?

Offiziell studiert habe ich Landschaftsbau und -management, danach habe ich mich in vielen Bereichen weitergebildet, mir gezielt passende Vorlesungen herausgesucht. Naturschutz, Landschaftspflege, Baurecht - da kommt vieles zusammen.

Und wo liegen die größten Probleme Ihres Metiers?

Schlicht darin, dass gerade im Landkreis Erding Flächen Mangelware sind. Das sieht man auch an den explodierenden Grundstückspreisen: Für einen Quadratmeter nasse Wiese hat man vor ein paar Jahren noch wenige Euros bezahlt, heute ist es ein Vielfaches davon - mit weiterer Tendenz nach oben.

Was würden Sie sich als Kompensationsmanager noch wünschen?

Dass sich meine Arbeit weiterhin herumspricht und möglichst viele potenzielle Partner Gebrauch von diesem Service machen.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: