Durchsuchung:Sprengstoff im Kinderzimmer

Lesezeit: 2 min

Die selbstgebastelte Handgranate in der Mitte ist nicht explodiert, auch mit Böllern bastelte der Bub. (Foto: Polizei)

Ein 16-Jähriger soll gedealt haben, die Polizei aber findet nicht nur Drogen, sondern auch Waffen und eine Granate

Von Martin Bernstein, München

Es begann als Standardfall, wie ihn die Kriminalpolizisten vom Rauschgift-Fachdezernat "hundertfach" erleben - und endete um ein Haar in einer Katastrophe. In seinem Kinderzimmer im Lehel soll ein 16-jähriger Dealer nicht nur Drogen aufbewahrt haben, sondern auch eine selbstgebastelte Handgranate. Bei einer Wohnungsdurchsuchung löste der Zünder aus. Zum Glück jedoch explodierte der hochgefährliche Sprengkörper nicht.

Ein festgenommener Konsument hatte den 16 Jahre alten Realschüler bei der Polizei verpfiffen. Als die Beamten am Dienstag zur Durchsuchung anrückten, war niemand zu Hause. Im Zimmer des Jugendlichen waren 118 Gramm Marihuana und 31 Cannabis-Samen versteckt, eine kleine Menge Haschisch, 112 Kapseln mit einem Pulver, bei dem es sich vermutlich um Ecstasy handelt, sowie fünf blaue Pillen, welche, so die Polizei "bisher noch nicht eingeordnet werden konnten". Ergänzt wurde das Sortiment durch mehrere Feinwaagen, ein Vakuum-Gerät und eine "Vielzahl von Druckverschlusstütchen". Die Ware hatte einen Verkaufswert von knapp 1800 Euro. In einem Schranksafe lagen 150 Euro, vermutlich handelt es sich um Drogengeld. Dass der 16-Jährige aber nicht nur gedealt haben soll, dämmerte den Polizisten, als sie im Zimmer Messer und andere verbotene Gegenstände entdeckten. Eines der Messer war mit Klebeband unter dem Schreibtisch befestigt, dort befand sich zudem ein 20 Zentimeter langer, angespitzter Holzpfeil. Der Schüler soll ihn aus einem japanischen Ess-Stäbchen geschnitzt haben. Den dazugehörigen Schussapparat mit Auslösemechanismus stellten die Beamten im Kleiderschrank sicher.

Als die Polizisten den Schrank öffneten, hätte es leicht zu einer Katastrophe kommen können. Denn in dem Schrank lag versteckt eine selbstgebaute Handgranate. Als ein Fahnder den merkwürdigen, mit einem Kletterseil umwickelten Gegenstand in die Hand nahm, löste der Zünder aus - doch der Sprengkörper detonierte nicht. "Glücklicherweise", wie Kriminaloberrat Markus Karpfinger sagte.

Der Beamte warf die Handgranate sofort weg, das Zimmer wurde geräumt. Das Präsidium zog Spezialkräfte hinzu, die auf zwei weitere selbstgebastelte Sprengvorrichtungen aus zusammengebundenen, in Deutschland an Volljährige frei verkäuflichen Böllern stießen und deshalb einen Sprengstoffhund anforderten und das Landeskriminalamt. Die Fallen wurden geborgen und untersucht. Eine Explosion des im Schrank entdeckten Sprengkörpers hätte laut Polizei schlimme Folgen gehabt.

Nach der Durchsuchung ließ die Polizei die Wohnung verschließen, der Schlüssel wurde bei der Inspektion 11 hinterlegt. Als der Schüler und seine Mutter ihn abholen wollten, wurde der junge Mann festgenommen. Er verweigerte die Aussage, ein Haftrichter setzte ihn am Mittwoch vorerst wieder auf freien Fuß. Gegen den Schüler wird jetzt wegen bewaffneten Rauschgifthandels in nicht geringen Mengen und wegen Verstößen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz ermittelt.

Die Mutter will von dem Treiben, das ihrem Sohn vorgeworfen wird, nichts bemerkt haben. Offenbar war sie auch ahnungslos, welches Arsenal gefährlicher Gegenstände sich im Kinderzimmer befand. Durch den Sprengstoff schwebte laut Karpfinger die Familie in ständiger Gefahr. Was der Jugendliche, der laut Ermittlern "ein Faible für Messer" hatte, mit den Waffen und dem Sprengstoff vorgehabt haben soll, ist derzeit genauso ungeklärt wie die Frage nach der Herkunft der Drogen. Der 16-Jährige war der Polizei bis dahin auch nicht aufgefallen, er gehörte wohl auch keiner Bande an.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: