Drohendes Diesel-Fahrverbot in München:Enteignung auf kaltem Wege

Lesezeit: 4 min

Viele hadern mit der Regelung, weil sie sich von Automobilherstellern hintergangen fühlen - und nun anstelle der Industrie bestraft würden

Zu "Achtung, dicke Luft" (17. Juni), "Kaum zu bremsen" (16. Juni) und "München plant Diesel-Fahrverbote" sowie Leitartikel "Grenzenlos" (14. Juni):

Rache ist süß

Als ich mir vor sechs Jahren meinen knubbeligen VW-Polo Diesel blue motion technology kaufte und persönlich in Wolfsburg abholte, war ich ganz stolz auf mein Ökowunder. Start-Stop-Automatik, Rekuperation, also Rückgewinnung der Bremsenergie, extra schmale Reifen und eine sehr unterhaltsame Verbrauchanzeige. 3,9 Liter war mein bester Wert, mittlerweile hat sich der Durchschnittsverbrauch bei 4,2 Litern eingependelt. Bei selbst auferlegtem Tempolimit von 100 km/h auf der Autobahn und 80 auf der Landstraße.

Doch sechs Jahre sind technologisch und politisch gesehen eine sehr, sehr lange Zeit, fast eine Ewigkeit. Seither gab es die Feinstaubhysterie, den VW-Skandal und den Pariser Klimavertrag. Und mein schönes Auto mit Euro 5-Norm ist vom Ökowunder zum Klimakiller und Luftverpester geworden, und VW vom deutschen Vorzeigeunternehmen zu einer Art Räuberhöhle, geleitet von Betrügern und Manipulatoren.

Jetzt kommt auch noch der Münchner Oberbürgermeister. Der will mein Polochen per Handstreich aus der Stadt aussperren, weil es angeblich viel zu dreckig ist. Dabei fahre ich in der Stadt so gut wie nie mit dem Auto und sonst sehr sparsam, weil ich glaube, dass der Schadstoffausstoß weniger mit Grenzwerten oder irgendwelchen Manipulationen als mit der Fahrweise zu tun hat. Deswegen finde ich es extrem ungerecht, wenn ich nun mit einem Fahrverbot bestraft werden soll. Und ich überlege mir sogar, gegen eine solche Maßnahme zu klagen, weil ich nicht einsehe, auf kaltem Weg und für fragwürdige Ökoziele enteignet zu werden, die alle nur eines bezwecken sollen: Dass alles so bleibt, wie es ist, aber "grün".

Vielleicht schaffe ich mir auch, als Ersatz für meinen Polo, ein schönes, dickes SUV an, natürlich in der nach aktueller EU-Norm allersaubersten Dieselvariante. Rache ist süß, Herr Reiter! Georg Etscheit, München

Autofahren teurer machen

Was passieren müsste, ist klar: Die Dienstwagenregelung, das Bundesreisekostengesetz, die Stellplatzverordnung und die Kilometerpauschale bei der Steuererklärung müssen erheblich verändert werden, damit diejenigen, welche immer noch Auto fahren, ihre Kosten selbst tragen müssen. Der Münchner Oberbürgermeister und seine Kollegen in den anderen Großstädten müssen das ihren Parteifreunden im Bundestag nachdrücklich sagen. Dann würde der Autoverkehr ganz von alleine erheblich zurückgehen, und Fahrverbote wären nicht nötig. Ich glaube dem Münchener Oberbürgermeister nicht, dass er das nicht weiß. Alternative Antriebe für Linienbusse gibt es nicht nur im Versuchsstadium, und auch mit Erdgasbussen machen zahlreiche Städte gute Erfahrungen. Aber in München wollen offensichtlich alle so weiter machen wie bisher, sonst könnte es ja Widerstand von der Autoindustrie und ihren Lobbyisten geben. Wolfgang Wewer, Köln

Hersteller in die Haftung

Die Politik hat über Jahre Regeln für Neufahrzeuge vorgegeben, die offensichtlich zu niedrig waren. Zudem haben Autohersteller nachgewiesenermaßen flächendeckend bei den Tests Manipulationssoftware eingesetzt. Jetzt stellt man "aus dem Nichts" fest: "Oh-oh, da müssten wir ja was machen." Aber warum bei der Stadt zum Beispiel mit Bussen anfangen, ganz trivial die MVV-Preise nicht permanent erhöhen, oder Autohersteller wegen falscher Werte zur Rechenschaft ziehen - nein, wir enteignen einfach ein paar Bürger, indem wir ihre Autos verbieten!

Ich habe vergangenes Jahr einen drei Jahre alten Diesel mit Euronorm 5 gekauft. Weil ich mich auf die Gesetzgebung verlasse, die ihn so vor drei Jahren zugelassen hat. War im Nachhinein ein Fehler, aber ich war in der irrigen Annahme, bei einem deutschen Premium-Hersteller wird das wohl passen Ich habe mich sogar vor dem Kauf jenes Autos auch nach Elektroautos umgesehen, aber verrate Ihnen sicherlich kein Geheimnis, dass die Auswahl an Familienautos mit praktikabler Reichweite und einem Preisrahmen, der zumindest irgendwo in der Nähe eines regulären Gebrauchtwagens liegt, de facto Null beträgt.

Jetzt stiehlt mir der Staat seit Monaten meine Lebenszeit mit diesen nervigen Ankündigungen von sehr lokalen Verboten und vollkommener Rechtsunsicherheit, was nun lokal passieren werde, zudem mit ebensolcher Unsicherheit, ob ich mein drei (!) Jahre altes Auto noch nachrüsten kann.

Das Schlimme dabei ist ja: Ich verstehe das Problem und würde auch noch mal ein paar Euro investieren, um das Auto umzurüsten, aber es gibt dazu einfach keine Informationen. Wie kann es sein, dass hunderttausende Bürger alleine in München einfach so hängen gelassen werden? Dabei könnte man an so vielen Stellen ansetzen anstatt in Aktionismus zu verfallen, zumal es mit der Entwicklung von Elektroautos und immer strengeren Vorgaben von Neuzulassungen ja ohnehin auch heute bereits genau in die richtige Richtung geht.

Am Ende werde ich das Auto jetzt wohl doch verkaufen, 3000 Euro Verlust binnen acht Monaten machen, mich geärgert haben - und leider auch ein gutes Stück Vertrauen in die Vernunft der Politik verloren haben. Bringt mich nicht um, regt aber ungemein auf. Jochen Braun, München

Die Dieselverdammung - eine politische Mutprobe

170 000 bis 180 000 Diesel-Autos bis Euro 5 und damit zum Teil gerade mal zwei Jahre alt. Grob geschätzt ist das ein Wähler-Volumen von 250 000 bis 300 000 potenziellen Stimmen. Na, da sind wir doch mal alle sehr gespannt, ob der Herr Oberbürgermeister sich traut, ein solches Fahrverbot anzugehen.

An der Frage der Sinnhaftigkeit einer Dieselverdammung möchte ich mich nicht im Ansatz beteiligen. Es ist jedoch höchst amüsant zu beobachten, wie schnell hier vermeintliche Retter des Planeten frohlocken und Braunkohle-Strom betriebene Elektrokisten mit höchst umweltschädlichen Stromspeichern propagieren. Aber das ist ein anderes Thema. Wie wäre denn eine banale Stadtmaut für alle: Diesel-, Benzin-, Hybrid, Elektro-, Gas-Fahrzeuge, hab ich was vergessen? Jahresgebühr 20 Euro, Monatsgebühr 15 Euro, Wochengebühr 10 Euro, Tagesgebühr 5 Euro. Für Münchner eine überschaubare Belastung. Und der willkommene und dringend notwendige Nebeneffekt: All die auswärtigen Abkürzer wären zu geizig oder zu bequem, dies zu bezahlen.

Alle, die sich zur Einsparung von 20 oder 30 Kilometern Autobahn A99 zwischen Autobahnkreuz München-West beziehungsweise München-Nord und München-Süd durch den Mittleren Ring quetschen und während jeder Schulferienphase aller großen Bundesländer, sommers wie winters, diesen verstopfen und verpesten, würden draußen bleiben. Das wäre eine Wohltat für die Luft, den Geräuschpegel, die Umwelt und die Nerven der Münchner. Meine Stimme hätte der Herr Reiter damit zum ersten Mal, versprochen. Markus Kellermann München

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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