Dritte Wohnungsbaukonferenz:Geld allein macht nicht glücklich

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Noch immer sucht der Großraum nach einem Instrument, gemeinsam Wohnungen bauen zu können. Doch das ist schwierig

Von Thomas Schmidt, München

Bilder von Kirchtürmen, 17 an der Zahl, schmücken die Karte des Landkreises Dachau. Sie hängt im Büro von Stefan Löwl, und der Landrat nutzt sie für einen rhetorischen Kniff. Jeder Kirchtum steht für eine der 17 Gemeinden im Landkreis. "Wenn ich ein Gespräch mit einem Bürgermeister habe, dann frage ich: Und, welcher bist du?", erzählt Löwl. Nur um sofort die Pointe hinterher zu schicken: "Jetzt schau dir mal die 16 anderen an." Kirchturmpolitik, das ist das Problem.

Am Mittwoch hat der Dachauer Landrat sein Büro verlassen, um in München an der dritten Wohnungsbaukonferenz teilzunehmen. Das jährliche Treffen von Kommunalpolitikern, Vertretern der Immobilienwirtschaft und Verbandsvertretern soll ein Gegenentwurf sein zur Kirchturmpolitik. Sie wurde aus der Not geboren, als die schier übermächtige Landeshauptstadt realisierte, dass sie Hilfe braucht. Schon heute ist München die am dichtesten besiedelte Stadt Deutschlands, und es wird noch enger: Im Jahr 2030 werden hier voraussichtlich 200 000 Menschen mehr leben, so die Prognose. München braucht die Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden, wenn die Stadt nicht an ihrem eigenen Wachstum ersticken will.

"Ich glaube, dass ich in meiner dritten Amtszeit den Durchbruch erlebe", sagt Elisabeth Merk, seit 2007 Münchens Stadtbaurätin, am Rande der Konferenz. Der Durchbruch, das wäre für sie ein "rechtlich belastbares Instrument", um innerhalb der Region Bauprojekte voranzutreiben. Landrat Löwl schlägt einen "Fonds" vor, in den Kommunen Flächen für gemeinsame Projekte einbringen, "und wer keinen Platz hat, der gibt Geld", sagt Löwl und fügt dann aber an: "Das für den gesamten Großraum zu schaffen, wird sicher schwierig."

Denn hier kommt wieder der Kirchturm ins Spiel: Schafft eine Gemeinde Wohnraum, muss sie auch die Infrastruktur ertüchtigen - Straßen, Schulen, Verwaltung und so weiter. "Ein Einwohner kostet die Kommune mehr, als er bringt", sagt Löwl. Wenn die Neubürger dann auch noch zum Arbeiten nach München pendeln und allein der große Nachbar von der Gewerbesteuer profitiert, warum sollen die kleinen bauen? "Viele Stadt- und Gemeinderäte wollen nicht wachsen", sagt Robert Niedergesäß, Landrat in Ebersberg. Dass ein solcher Fonds funktionieren kann, glaubt Christian Kühnel, Kreisbaumeister von Starnberg, nicht: "Jede Gemeinde blickt auf ihre eigenen Finanzen." Kosten lassen sich nicht einfach über Gemeindegrenzen hinweg aufteilen. Selbst wenn München wollte, dürfte es keine Straßen in Starnberg bauen. "Das Problem der Wohnungsnot im Großraum ist nicht lösbar", fürchtet Kühnel. Dabei sei das Geld gar nicht das größte Problem. "Das Nadelöhr ist die Verfügbarkeit von Grundstücken." In diese Klage stimmen die meisten Vertreter der Region ein. "Uns gehen die Grundstücke aus", sagt etwa Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann. "Ich bräuchte 700 neue Wohnungen, 200 kann ich bauen."

"Die Flächen wären schon da", sagt hingegen Münchens Stadtbaurätin Merk. "Es findet aber ein Wetten auf die Flächen statt, ein absurdes Land-Banking." Wer will schon heute Grundstücke verkaufen, wenn sie bald das Doppelte wert sein könnten? "Die Kommunen kommen nicht ran an die Flächen", bestätigt Löwl und fordert: "Wenn doch etwas auf den Markt kommt, müssen wir über ein weitergehendes Vorkaufsrecht nachdenken."

Zumindest - und das ist ein Lichtblick - hat sich das Verhältnis zwischen München und den Umlandgemeinden spürbar verbessert. Vor wenigen Jahren warfen viele Bürgermeister der Landeshauptstadt noch Arroganz vor, "das hat sich inzwischen um 180 Grad gedreht", sagt Löwl. Der Wille zur Zusammenarbeit sei vorhanden. Deswegen hofft Stadtbaurätin Merk auch auf den "Durchbruch". Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag könnten dabei eine wichtige Rolle spielen und mit ihrer Finanzkraft Projekte außerhalb der Stadt verwirklichen. Die Kooperation bei Schulprojekten wie in Karlsfeld, wo die Stadt dem Landkreis Dachau praktisch ein Gymnasium geschenkt hat, um auch Münchner Schüler dorthin zu schicken, ist ein weiteres Beispiel, wie Zusammenarbeit funktionieren kann. Denn "mit Geld allein", sagt Merk, "schaffen wir die Lösung nicht".

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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