Die Jury:"Kinder gehen nach dem ersten Satz"

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Spezialistinnen in Sachen Kinder- und Jugendbuch sind Sylvia Mucke (l.) und Christine Paxmann. (Foto: privat)

Christine Paxmann und Sylvia Mucke bewerten in ihrem Magazin "Eselsohr" Kinder- und Jugendbücher - für die Bücherschau haben sie 94 Titel empfohlen

Von Günther Knoll, München

Können Erwachsene überhaupt beurteilen, was Kinder und Jugendliche gerne lesen? Ja, sagen Christine Paxmann und Sylvia Mucke. Die Herausgeberin und die Chefredakteurin des Fachmagazins Eselsohr sind auch Jury-Mitglieder des Leipziger Lesekompasses, der im Rahmen der Leipziger Buchmesse herausragende Kinder- und Jugendliteratur auszeichnet. Für die 10. Münchner Bücherschau Junior haben sich Mucke und Paxmann zusammen mit Birgit Franz, die für das Programm dieser Veranstaltung verantwortlich ist, durch fast 700 Neuerscheinungen gelesen. 94 davon haben sie als lesenswert ausgewählt.

"Wannenweise" habe man diesmal die Bücher gesichtet, sagt Christine Paxmann, die gegenwärtige Fülle der Kinder- und Jugendbuchliteratur erleichtere der Jury die Arbeit nicht. "Wir kriegen ganz vieles noch als Manuskript", fügt Sylvia Mucke an, denn für die Bücherschau werden nur Werke berücksichtigt, die bis März erschienen sind. Beurteilt werden Einzeltitel sowie Auftaktfolgen zu Serien und zwar in den Kategorien Pappbuch, Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch, Buch für junge Erwachsene sowie Sachbuch für diese Altersgruppen.

"Sich selbst zurücknehmen", das sei das Wichtigste beim Lesen, sagen die beiden Expertinnen. Stärker als Erwachsene ließen sich junge Leser durch gelungene Anfänge fesseln. "Kinder gehen nach dem ersten Satz, der ersten Seite und dann nach den ersten zehn Seiten", weiß Christine Paxmann. Deshalb lese die Jury in der Regel jeweils die ersten 50 Seiten einer Neuerscheinung. Aber mitunter geschehe es, dass ein Buch einen nicht loslasse. "Das ist es!", beschreibt Mucke dieses Leseerlebnis, "und dann bleibt man dran bis zur letzten Seite." Natürlich gelten für die Beurteilung auch objektive Kriterien: Das Cover, der Plot, das Buch muss innovativ sein, sprachlich gelungen sowie dramatisch dicht, spannend und schnell erzählt. Episches komme beim jungen Lesepublikum nicht an.

Weil die Verlage auf ihre zukünftigen Leser achteten, sei heuer die Sparte junge Erwachsene extrem gut besetzt, hat Paxmann festgestellt, das geschehe leider zum Nachteil des Kinderbuchs. Eine Lesekarriere beginne in der Regel im Alter von drei oder vier Jahren, für Eltern und Großeltern sowie Erzieher und Betreuer sei das Lesenlernen ein "primärer Erziehungsauftrag". Deshalb müsse das Erzieherpersonal "gut buchgeschult" sein, ergänzt Mucke, da leisteten aber die Bibliotheken hervorragende Arbeit. Das Magazin Eselsohr, das inzwischen im 35. Jahr monatlich in München erscheint, sichtet ständig den einschlägigen Markt und verschafft Multiplikatoren einen Überblick, "nicht akademisch", wie Paxmann es beschreibt, "sondern unterhaltend informativ".

Obwohl München die Stadt mit den meisten Kinderbuch-Verlagen Deutschlands ist, wird jede Bücherschau Junior zum Wagnis, wie die beiden wissen. Jedes Jahr müsse man bis zuletzt bangen, ob die Veranstaltungsreihe auch finanziell gesichert sei. Beim Publikum aber kommt sie in jedem Fall an, denn die Lesungen und anderen Veranstaltungen sind schnell ausgebucht. Schon deshalb lohne sich die Juryarbeit, die im übrigen "an ein Ehrenamt grenzt", wie Mucke und Paxmann sagen. Jeweils rund 200 Stunden Lesen heißt es nämlich vorher für die drei Frauen der Jury. Was sie für besonders lesenswert halten, das werden sie am Samstag, 5. März, von 18 Uhr an im Studio des Münchner Stadtmuseums vorstellen. "Kinder- und Jugendbücher druckfrisch" heißt die Veranstaltung. Jedes Jurymitglied hat dabei die Gelegenheit, jeweils 13 Titel vorzustellen, die persönlich besonders positiv aufgefallen sind.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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