Der Religionsphilosoph:Ein theologischer Vordenker

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Romano Guardini prägte die katholische Liturgie und Weltanschauung

Von Matthias Drobinski, München

Papst Franziskus verehrt ihn - keinen Theologen zitiert er so oft wie Romano Guardini. Und auch, wenn die Doktorarbeit des Papstes über Guardini unvollendet blieb: Der Philosoph, Prediger und Schriftsteller, persönlich eher schüchtern und zurückhaltend, beeinflusst die Theologie von Papst Franziskus bis heute. "Katholische Weltanschauung" - das hieß für Guardini, sich auf die Welt einzulassen, mit einem Standpunkt, aber offen für Andersdenkende, offen für Neues, wenn auch skeptisch gegenüber jeder Fortschrittseuphorie. Guardini beschrieb die Globalisierung, als das Wort noch nicht erfunden war: "Der Erdraum wird überschaut. Es sind keine Möglichkeiten des Ausweichens mehr, keine Reserven." Das steht, moderner formuliert, auch in des Papstes Umwelt-Enzyklika "Laudato si".

Romano Guardini, geboren 1885 in Verona, kam, kaum ein Jahr alt, nach Mainz, der Vater wurde dort italienischer Konsul. Der Bruch mit den Eltern als junger Mann war hart: Guardini wurde Deutscher, während zwei seiner Brüder im Ersten Weltkrieg für Italien kämpften; Priester wurde er gegen den Wunsch seiner Mutter. Guardini bewegte sich zeitlebens in doppelten, auch zerrissenen Welten, in Gegensätzen, Spannungen, Uneindeutigkeiten. Das brachte ihm Probleme mit seiner Kirche, deshalb aber sind seine Bücher und Aufsätze bis heute eine spannende Lektüre.

Die Freiheit fand Guardini in der katholischen Jugend-Gemeinschaft Quickborn und ihrem Zentrum, der Burg Rothenfels hoch überm Main, wo er von 1927 an Burgleiter war. Junge Katholiken trafen sich dort und diskutierten über Religion, Politik, Philosophie. Vor allem aber feierten sie auf neue Weise Gottesdienst, auf deutsch, nicht mehr lateinisch, Priester und Gläubige bildeten eine Gemeinschaft. Die heute gefeierten katholischen Gottesdienste entstanden hier, Guardini war der Vordenker dieser liturgischen Bewegung.

Mühsamer war die akademische Laufbahn. Nach der Habilitation in Bonn sollte Guardini Professor in Berlin werden, doch an die stramm preußisch-protestantische Universität kam er nur durch einen Trick: Formal wurde er Professor im katholischen Breslau, von dort kam er als "ständiger Gast" nach Berlin. Es war keine glückliche Zeit, die Kollegen ließen ihn ihre Ablehnung spüren. 1939 entzogen ihm die Nazis die Professur und konfiszierten auch die Burg Rothenfels; Guardini zog sich zurück zu seinem Priester-Freund Josef Weiger ins schwäbische Mooshausen.

Nach einem Zwischenspiel in Tübingen kam er 1948 nach München, wo er bis zu seiner Emeritierung 1964 Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie lehrte und in der Universitätskirche St. Ludwig predigte. Ruhelos pendelte er zwischen seiner Wohnung, der Uni, der Kirche, dem Englischen Garten. In München erntete Guardini die Früchte seine Arbeit. Seine Vorlesungen waren so überfüllt wie seine Gottesdienste, die Bücher verkauften sich bestens. Er gehörte zu den Gründern der katholischen Akademie in München und der politischen Akademie in Tutzing; er zeigte, dass Katholizismus, Intellektualität und Weltoffenheit zusammenpassen konnten.

Seine Schwermut aber nahm zu, ein Gesichtsschmerz quälte ihn. Guardini zog sich zurück in den engsten Freundeskreis, lehnte die Mitarbeit beim Zweiten Vatikanischen Konzil ab. Am 1. Oktober 1968 starb Romano Guardini. 1997 wurden seine Gebeine in die Ludwigskirche überführt, in die Kirche, in der er so oft gepredigt hatte.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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