Der Journalist:Schreiben gegen Hitler

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Fritz Gerlich bekämpfte das NS-Regime - bis zu seiner Ermordung

Von Wolfgang Görl, München

Am Abend des 9. März 1933 stürmen 60 bis 70 SA-Leute die Redaktionsräume der Münchner Wochenzeitschrift Der gerade Weg an der Hofstatt. Die Braunhemden verwüsten das Inventar, vergebens stellt sich Fritz Gerlich, der Herausgeber und Chefredakteur des Blatts, den Angreifern entgegen. Gerlich wird misshandelt und in die Polizeidirektion an der Ettstraße verschleppt, wo sie ihn in eine winzige Zelle stecken. Eines Nachts, berichten Mithäftlinge, holen ihn SS-Männer zum Verhör. Gerlich wird gefoltert. Freunde bemühen sich um seine Freilassung, doch es ist aussichtslos. Die Nazis sind entschlossen, Rache zu nehmen für den publizistischen Kampf, den Gerlich gegen sie führte. 16 Monate bleibt er eingesperrt, dann, in der Nacht zum 1. Juli 1934, bringen sie den Gefangenen ins Konzentrationslager Dachau. Dort wird Fritz Gerlich ermordet.

Gerlich, geboren am 15. Februar 1883 in Stettin und in streng calvinistischer Tradition erzogen, kam 1901 nach München, wo er Philosophie und Geschichte studierte und später als Archivar arbeitete. Zu dieser Zeit stand er politisch weit rechts, er hing der nationalistischen Vaterlandspartei an und wurde zum Mitgründer des radikal national ausgerichteten Wochenblatts Die Wirklichkeit. Er war ein erbitterter Gegner der Revolutionäre vom November 1918, auch nach der blutigen Niederschlagung der Räterepublik agitierte er vehement gegen die politische Linke.

Im Juli 1920 avancierte er zum Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, denen er eine "nationale und antimarxistische Haltung" verpassen wollte. Seinerzeit war Gerlich durchaus im völkisch-nationalen Milieu zu Hause, Hitlers Putschversuch im November 1923 missbilligte er dennoch: Es handele sich, schrieb er, um "eine der größten Verrätereien an der deutschen Geschichte".

Nachdem im August 1927 in den Münchner Neuesten Nachrichten eine Reportage über Therese Neumann, die "Resl von Konnersreuth", erschienen war, reiste Gerlich selbst zu der Frau, welche die Wundmale Christi trug, um "dem Schwindel auf die Spur zu kommen". Zurück kam er als Bekehrter: "Ich habe eine vollkommenere Erfüllung der christlichen Forderungen bisher noch nicht erlebt." Über die "stigmatisierte Therese Neumann von Konnersreuth" schrieb er ein zweibändiges Werk.

Gerlich verließ die Münchner Neuesten Nachrichten, trat in die katholische Kirche ein und verwandelte ein illustriertes Wochenblatt in die kämpferische Zeitschrift Der gerade Weg, deren geistige Basis er in der "Macht des Naturrechts und der Festigkeit der christlichen Grundsätze" sah.

Von dieser Warte aus führte er, mal satirisch, mal polemisch, mal messerscharf analysierend und in jedem Fall unerschrocken seinen Kampf gegen die immer stärker werdenden Nationalsozialisten. Anders als ein Großteil der bürgerlichen Elite machte sich Gerlich keine Illusionen über die tatsächlichen Absichten der Nazis. Vor der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 schrieb er: "Nationalsozialismus aber bedeutet: Feindschaft mit den benachbarten Nationen, Gewaltherrschaft im Innern, Bürgerkrieg, Völkerkrieg. Nationalsozialismus heißt: Lüge, Hass, Brudermord und grenzenlose Not." Hitler hatte Gerlich schon im Visier, als dieser noch für die Münchner Neuesten Nachrichten schrieb. In einer Rede im Circus Krone drohte der NS-Führer: "Den Fehdehandschuh, den dieses Blatt uns hingeworfen hat, nehmen wir auf." Als Hitler an die Macht kam, war Fritz Gerlich verloren.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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