Der Job der Wahlhelfer:Zählstunde im Klassenzimmer

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Kurz nach dem Schließen der Wahllokale beginnt das Sortieren der Zettel. Alles nach bewährtem Prinzip. (Foto: Catherina Hess)

In der Realschule am Gotzinger Platz sind sieben Helfer mit der Auswertung der Stimmzettel in Wahlbezirk 607 beschäftigt

Von Christiane Lutz, München

Um 18.15 Uhr lässt der Regen am Gotzinger Platz nach, im Klassenzimmer der Klasse 8c, Wahlbezirk 607, Wahlkreis München-Süd, steht die Luft inzwischen. Ein durchnässter Mann vor der Tür der Realschule erzählt, er habe es wegen des Gewitters, das eben über der Stadt tobte, nicht rechtzeitig ins Wahllokal geschafft. Es scheint ihm nicht viel auszumachen.

Drinnen machen sich die sieben Wahlhelfer an die Arbeit. Unter den Augen von mehreren Wahlbeobachtern, die neugierig umher schleichen, sortieren sie zunächst die Wahlzettel: die, bei denen Erst- und Zweitstimme für die gleiche Partei abgegeben wurden und die, bei denen für zwei verschiedene Parteien gestimmt wurde. In Zehnerstapel gepackt lassen diese sich schnell zusammenrechnen.

Wahlvorstand Martina B., 40, macht den Job, seit sie 18 ist. Live dabei zu sein, wenn Demokratie gelebt wird, das hat sie begeistert. Auch deshalb hat sie ihre Tochter mitgebracht. Einer der Anwesenden liest die Prognosen der ARD vor. Die AfD wird demnach drittstärkste Partei. Einer der Wahlbeobachter kommentiert das: "Dann gibt es wenigstens mehr Meinungsvielfalt im Bundestag."

Als die Zettel mit den beiden Stimmen für eine Partei ausgezählt sind, kommen die dran, die ihr Kreuz bei zwei verschiedenen Parteien gemacht haben. Am Ende schaut das Team auf die sechs Zettel, die nicht eindeutig gekennzeichnet sind. Ein Wähler hat alle Parteien durchgestrichen: ungültig. Ein anderer hat sein Kreuz vor statt hinter den Namen seines Kandidaten gesetzt: gültig, befindet das Team, schließlich ist der Wählerwille eindeutig erkennbar.

Bei der Bundestagswahl 2013 erhielt im Wahlkreis München-Süd Peter Gauweiler von der CSU die meisten Erststimmen. Im Wahlbezirk 607 aber lag Christian Vorländer von der SPD bei den Erststimmen knapp vorn, aber auch dort gingen die meisten Zweitstimmen an die CSU. Die AfD war damals nur ein leises Rauschen im Stimmzettelwald.

Zum ersten Mal sind in München in diesem Jahr die neuen Wahlkoffer im Einsatz, eine Konstruktion aus PC und Drucker, die die Auszählung erleichtern und vor allem Fehler bei der Übertragung von ausgezählten Stimmen in die Listen vermeiden soll. Von den knapp 1500 Wahlberechtigten des Wahlbezirks haben 465 Briefwahl beantragt, 690 Stimmen wurden an dem Tag in dem Klassenzimmer abgegeben. Viele junge Menschen seien da gewesen, sagt Wahlvorstand B., sie habe das Gefühl gehabt, es hätte ein anderes Bewusstsein geherrscht für die Wichtigkeit dieser Wahl. Auch bei ihr seien allerdings Wähler aufgetaucht, deren beantragte Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig eingetroffen waren. Zwei Menschen musste sie unverrichteter Dinge abweisen.

Gegen 19.45 Uhr steht das Ergebnis fest, zumindest das in Wahlbezirk 607: Die meisten Erststimmen gehen an SPD-Kandidat Sebastian Roloff, an zweiter Stelle steht CSU-Mann Michael Kuffer, an dritter Peter Heilrath von den Grünen. Die AfD nur an fünfter Stelle hinter der Linken. Die meisten Zweitstimmen gehen an die Grünen. Kurz nach 20 Uhr bedankt sich Wahlvorstand B. bei ihren Helfern für die gute Zusammenarbeit. Sie verschließt die Tonne mit den Wahlunterlagen mit Siegeln, die an Kabelbinder erinnern. Mitarbeiter des Wahlamts holen alles ab, irgendwann in der Nacht.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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