Debatte:Schwieriges Pflaster

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Geteilte Straße, geteilte Meinung: Bis zur Hackenstraße ist die Sendlinger Straße eine Fußgängerzone, über den Rest wird gestritten. (Foto: Stephan Rumpf)

Die autofreien Bereiche sind kontinuierlich erweitert worden - gegen die neuen Pläne gibt es Widerstand

Von Alfred Dürr, München

Seit in den Siebzigerjahren die Hauptachse der Innenstadt zwischen Stachus und Marienplatz zur Fußgängerzone umgewandelt wurde, hat sich der Flanierbereich immer wieder verändert - er wurde vor allen Dingen stetig größer. Doch dieses Wachstum war meist - wie jetzt auch im Fall der Sendlinger Straße - von heftigen Protesten begleitet. Oft waren es die Geschäftsinhaber, die um ihre Kunden fürchteten. Zum einen, so wurde argumentiert, weil die Leute dann womöglich in der Mitte einer Fußgängerzone flanierten und nicht mehr auf den Bürgersteigen dicht an den einladenden Schaufenstern vorbei. Zum anderen, weil die Kunden dann nicht direkt vor dem Laden mit dem Auto vorfahren konnten, um die Ware einzuladen.

Die Sendlinger Straße ist im Abschnitt zwischen dem Färbergraben und der Hackenstraße schon seit einiger Zeit nur noch für Fußgänger da. Möglich wurde dies durch das neue Geschäfts- und Büroquartier Hofstatt auf dem früheren Areal von Süddeutscher Zeitung und Abendzeitung. Der Straßenumbau war problemlos, weil es dort hauptsächlich große Läden und Büros gibt. Niemand hatte etwas gegen eine Fußgängerzone.

Ganz anders entwickelte sich die Situation im Abschnitt zwischen Hackenstraße und Sendlinger Tor. Zunächst gingen die Geschäftsleute aus den genannten Gründen auf die Barrikaden, als hier eine Fortsetzung der autofreien Zone geplant wurde. Doch der Protest verstummte weitgehend, nachdem man erkannte, dass die vorhandene Fußgängerzone in der Sendlinger Straße ganz gut funktionierte.

Überraschenderweise protestieren aber die Anwohner. Sie gründeten die Bürgerinitiative Pro Sendlinger Straße. Das Quartier sei nicht nur ein Geschäftsviertel, sondern ein alteingesessenes Mischgebiet mit vielen Haushalten. Für die Anwohner, aber auch für die Arzt- und Anwaltspraxen würde die Fußgängerzone Nachteile bringen. Es geht der Initiative unter anderem um die Erreichbarkeit von Räumlichkeiten und Garagen sowie um den Wegfall von Parkplätzen. Außerdem fürchtet man einen tief greifenden Strukturwandel in der Straße. Die Politik wollte es sich nicht mit den Anwohnern verderben und verschob den für diesen Mittwoch vorgesehenen Beschluss über die probeweise Einrichtung der Fußgängerzone aufs neue Jahr.

Ähnliche Interessenskonflikte spielen auch bei einem anderen anstehenden Stadtrats-Beschluss eine Rolle. Die Fußgängerzone am Marienplatz soll bis hin zum Alten Rathaus ausgeweitet werden. Das sei ein großer Gewinn für Innenstadt-Flaneure, meint die große Koalition im Rathaus: Taxis, Busse, Rikschas, Radler raus, dafür endlich mehr Platz für die Fußgänger. Auch hier kann man angesichts des aufgeflammten Protests Zweifel haben, ob der Stadtrat tatsächlich eine mutige Entscheidung fällt.

Im Zuge des Marienplatz-Themas wäre es zum Beispiel möglich gewesen, die Autos aus der Dienerstraße vor dem Dallmayr und dem Alten Hof zu verbannen. Der Stadtrat wollte das dann aber doch nicht. Man müsse die Bauarbeiten für die zweite Stammstrecke am direkt benachbarten Marienhof abwarten, hieß es.

Nicht immer geht es mit der Ausweisung von Fußgänger-Bereichen so zäh voran wie bei den genannten aktuellen Beispielen oder vor Jahrzehnten auch bei der Sperrung der Residenzstraße für den motorisierten Durchgangsverkehr. Die Theatinerstraße, Bereiche um den Viktualienmarkt, die Schützenstraße beim Hauptbahnhof, der Sebastians- und der Sankt-Jakobs-Platz, ein kleines Stück in der Salvatorstraße vor dem Kultusministerium sowie das Platzl beim Hofbräuhaus - alle sehen es inzwischen als selbstverständlich an, dass man sich hier als Fußgänger frei bewegen kann.

Vielleicht auch über einen verkehrsberuhigten Bahnhofs-Vorplatz? Oder auf einer weitgehend autofreien Brienner Straße? Das sind "Baustellen", mit denen sich der Stadtrat noch befassen muss. Auch hier sind die oft schwer zu lösenden Interessenskonflikte programmiert.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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