Vortrag am Petersberg:Gegen das Artensterben

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Zur Eröffnung einer Seminarreihe des Dachauer Forums wirbt Gerhard Haszprunar für Biokost und Bildung sowie für blühende Gärten statt Thujenjecken

Von Renate Zauscher, Petersberg

Ein globales Massensterben der Arten diagnostiziert Gerhard Haszprunar, Professor für Systematische Zoologie. In einem Vortrag auf dem Petersberg schilderte er das Ausmaß des Artenschwunds und sprach über mögliche Strategien, mit denen dem Verlust der Biodiversität entgegengewirkt werden müsse. Er eröffnete damit die Seminarreihe "Enkeltauglich leben" des Dachauer Forums, deren verschiedene Veranstaltungen bis in den Juli reichen.

Wie dramatisch die Situation ist, kann laut Gerhard Haszprunar eigentlich jeder selber feststellen, der vor seine Haustür tritt: Kein Bienengesumm mehr um den blühenden Apfelbaum, kaum noch Gartenvögel außer vielleicht ein paar Amseln, Staren oder Meisen. Selten geworden, oftmals ganz verschwunden der Gesang der Singdrossel oder der Mönchsgrasmücke, die vor wenigen Jahren in alten Gärten oder in Parks überall zu hören waren: Symptome eines sich weltweit abspielenden Massensterbens der Arten, das allerdings nur wahrnimmt, wer sich an die vergleichsweise unglaubliche Vielfalt fliegender, krabbelnder, summender Insekten oder der Vogelpopulationen früherer Jahre erinnert.

Haszprunar nennt eine Reihe von Ursachen für das weltweite Artensterben. Ganz oben steht für ihn das System der Agrarindustrie, das mittlerweile in globalem Ausmaß Folgen zeigt. Haszprunars Betonung liegt auf dem Wort "System": Das nämlich reiche von der Chemieindustrie und der Herstellung von Dünger wie Unkraut- und Insektenvernichtungsmitteln über den Vertrieb dieser Produkte bis hinunter zum einzelnen Landwirt, für den es oft nicht einfach sei, sich innerhalb dieses Systems für eine ökologische Bewirtschaftung seiner Flächen zu entscheiden.

Für den Zoologen ist klar, was zu tun ist: "Wir brauchen eine Systemänderung" fordert er und nennt Zahlen, die dies untermauern. So habe sich der Einsatz von Insektiziden in den vergangenen zwanzig Jahren verfünffacht. "Das muss wieder runter", sagt er. Das Gleiche gelte für Breitbandunkrautvernichter, die der Biodiversität in ähnlich dramatischem Ausmaß zusetzten. Aber auch der einzelne Konsument könne viel bewegen. Es gehe nicht um Verzicht, betont Haszprunar, sondern um bewusste Ernährung und um das Nachdenken darüber, was man mit der eigenen Kaufentscheidung bewirke. Mit einer Umstellung auf Bioprodukte und mit nur ein, zwei fleischlosen Tagen in der Woche lasse sich viel erreichen. "Auf Qualität statt Quantität setzen", rät der gebürtige Wiener, und "gern mal ein gesundes Bio-Hendl kaufen" statt dem 2,99-Euro-Huhn aus der Massentierhaltung.

Neben dem folgenschweren Chemieeinsatz in der Landwirtschaft sieht er aber auch eine Reihe weiterer Gründe für den globalen Artenschwund, der mittlerweile ein Ausmaß von vierzig Prozent bei terrestrischen und marinen Arten erreicht hat und bei Süßwasserarten sogar von 76 Prozent. Eine dieser Ursachen für weltweites Artensterben sei die Zerstörung von Lebensräumen. Das Roden von Urwäldern in anderen Erdteilen gehöre ebenso dazu wie hierzulande das Zubetonieren der Landschaft. Manches ließe sich ohne größeren Aufwand ändern: Warum nicht Magerrasen auf den Flachdächern von Gewerbebauten aufbringen oder Parkplätze vor Einkaufszentren mit wasserdurchlässigen Steinen und Baumpflanzungen ökologisch aufwerten?

Jeder Besitzer eines noch so kleinen Gartens könne viel tun: blühende Wiese statt Rasen, lautet Haszprunars Vorschlag, Blühsträucher statt Thujenhecke und eine Ecke für Gartenabfälle, Laub und auch Totholz: Ein Eldorado sei solch ein "schlampiges Eck" für unterschiedlichste Tiere, egal ob Igel, Regenwurm oder Käfer. Und noch etwas anderes, in seinen Augen außerordentlich Wichtiges fordert der Zoologe: Mehr Umweltbildung. Es gehe nicht an, dass etwa im Lehrplan für Fachoberschulen keine einzige Biologiestunde mehr enthalten sei und Abiturienten vielleicht noch zehn von rund 300 Vogelarten kennen. Die "Naturentfremdung" und die "Erosion" einschlägigen Wissens habe ein Ausmaß angenommen, das noch vor ein, zwei Generationen unvorstellbar gewesen sei.

Die Reihe wird mit Seminaren von Dienstag, 15. Mai, an fortgesetzt. Nähere Information und Anmeldung beim Dachauer Forum, Telefon 08131/99688-0.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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