Seltene Darstellungen aus dem 12. Jahrhundert:König, Himmel, Hölle

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Ein 1972 freigelegtes Fresko in der Kirche Sankt Georg erweist sich jetzt als überregional bedeutendes Denkmal romanischer Kunst

Von Petra Sc hafflik

Dunkelrote Linien skizzieren die Falten eines Mantels, darunter vage in Gelb ein eng anliegendes Untergewand. Auf dem Haupt trägt die Figur eine Krone, die rechte Hand schwingt ein Schwert. Diese Insignien lassen darauf schließen, dass wohl ein König dargestellt ist auf dem Fresko, das als Teil einer dreiteiligen Wandmalerei schon lange die Südwand ziert in der Kirche Sankt Georg in Hebertshausen. Dort ist der über Jahrhunderte von Putz- und Farbschichten überdeckte Bilderzyklus bereits 1972 bei Renovierungsarbeiten von Kirchenmaler Konrad Wiedemann freigelegt worden. Doch was bisher als einfache Mariendarstellung interpretiert wurde, hat tatsächlich überragende kunsthistorische Bedeutung. Das ist das Resultat einer wissenschaftlichen Untersuchung, die vor der geplanten Kirchensanierung gerade durchgeführt wurde. Die Wandmalerei in Sankt Georg entstand nämlich schon im 12. Jahrhundert. Auch wegen der Seltenheit der Darstellung und dem unrestaurierten Zustand ist die Darstellung "ein hochrangiges Denkmal der romanischen Kunst im süddeutschen Raum", schreiben Kunsthistoriker Gerhard Dobler und Restaurator Thomas Hacklberger in den Denkmalpflege-Informationen des Landesamts für Denkmalpflege. Ein Ergebnis, das niemand so erwartet hatte. "Dass die Fresken kunsthistorisch so wertvoll sind, hat uns alle überrascht", erklärt Michael Vogl, der sich als Vorstand im Verein Sankt Georg seit vielen Jahren für die Erhaltung der Kirche einsetzt.

Unter blau-weißem Himmel: die Kirche St. Georg in Hebertshausen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Im Kirchenschiff steht schon das Baugerüst bereit, ein Kompressor dröhnt, dichte Staubwolken liegen in der Luft. Gemeinsam mit seiner Kollegin Iris Badstuber trägt Restaurator Thomas Hacklberger mit dem Presslufthammer ein wenige Zentimeter schmales Band im Wandputz ab. Eine Art Grenzlinie wird so gezogen. Nur bis dorthin dürfen bei den Sanierungsarbeiten, die in den nächsten Wochen beginnen, die alten, schadhaften Putzschichten abgetragen werden. Die oberhalb liegende Wandmalerei selbst wird dann noch mit einem Holzrahmen und Schutzvlies abgedeckt. Die wertvolle Substanz optimal zu sichern sei das Ziel, erklärt der Experte. Denn tatsächlich ist der Erhaltungszustand der Wandmalereien schlecht. Nur untere Malschichten und Vorzeichnungen sind erkennbar, viele Fehlstellen und Putzlöcher machen eine Interpretation schwierig. Ganz offenkundig haben die diversen Kirchenumbauten in den vergangenen Jahrhunderten ihre Spuren hinterlassen.

Ein Motiv, das sich "vielleicht noch ein Dutzend Mal nördlich der Alpen" finde

Schon als die ursprünglich kleinen romanischen Fenster durch größere ersetzt wurden, hat man einen Teil des Gemäldes zerstört. Und nicht lange nach ihrer Entstehung, vielleicht schon beim Umbau im frühen 13. Jahrhundert, wurde die heute als wertvoll erachtete Darstellung übermalt. "Das war dann nicht mehr zeitgemäß." Doch die erhaltenen Fragmente, die in drei eigenständigen Bildmedaillons König, Himmel und Hölle zeigen, sind dennoch von großer kunsthistorischer Bedeutung, erklärt Hacklberger. Wie die südliche Kirchenmauer selbst, datiert auch die Malerei auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Wertvoll sind die Wandbilder auch wegen der Seltenheit der Darstellung. Denn im Segment, das den Himmel darstellt, thront Abraham als Vermittler der Seelen. Ein Motiv, das sich "vielleicht noch ein Dutzend Mal nördlich der Alpen" finde. Und nicht zuletzt ist trotz der Schäden der originalgetreue Zustand wertvoll, denn oft wurden romanische Wandmalereien umfangreich restauriert und malerisch ergänzt.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Fresken an der Südwand der Kirche Sankt Georg in Hebertshausen sind vermutlich im 12. Jahrhundert entstanden.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Wandbilder mit den seltenen Darstellungen wurden schon früh übermalt und 1972 freigelegt. Heute gelten sie als kunsthistorisch sehr wertvoll.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Das gesamte Gotteshaus wird jetzt saniert.

Aber nicht nur zu den Fresken, auch zum Kirchengebäude selbst hat die wissenschaftliche Untersuchung interessante Ergebnisse gebracht. Denn urkundlich erwähnt wird eine Pfarrkirche in Hebertshausen im Jahr 1293. Doch gibt es Indizien, dass die Ursprünge auf eine Burgkapelle des frühen Mittelalters im 10. oder 11. Jahrhundert zurückgehen könnten. Dafür, so die Experten, spricht die Lage an der steil zum Ampertal hin abfallenden Hangkante, die ursprünglich später aufgefüllte Gräben nach allen Seiten abgegrenzt haben. Auch der namensgebende Sankt Georg als Schutzheiliger der Ritter gilt als Hinweis. Im heutigen Gebäude erhalten ist aus dieser Zeit die Südwand, mit einem Mauerwerk aus kleinformatigen Tuffsteinen. Diese Wand, auf der die wertvollen Fresken erhalten sind, könnte zu einem einfachen Saalbau gehört haben, der auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert wird. Noch interessanter wäre das Pendant der Nordwand gewesen, die damals vermutlich ohne Fenster errichtet und vollflächig ausgemalt worden sein dürfte, erläutert Hacklberger. Aber diese Mauer ist bei der Renovierung in den 1970er Jahren eingestürzt. Wie überhaupt die Kirche über die Zeit viele Male aus- und umgebaut wurde, bevor sie nach der Errichtung der neuen Pfarrkirche Zum Allerheiligsten Welterlöser dann aus dem Fokus geriet, selten genutzt wurde und gar zu verfallen drohte.

"So wenig Eingriff wie möglich"

Doch nun wird das denkmalgeschützte Gotteshaus, das seit Jahrhunderten das Ortsbild prägt und einen der schönsten Kirchplätze im Landkreis dominiert, mit neuem Konzept wieder belebt. Sankt Georg wird künftig Aussegnungskirche sein, aber auch Erinnerungsort. Dafür greifen die Planer die Sichtbeziehung auf zwischen Sankt Georg und dem am Ortsrand gelegenen ehemaligen SS-Schießplatz, wo 1941/42 sowjetische Kriegsgefangene ermordet wurden. Kirche und Gemeinde arbeiten eng zusammen, um das gesamte Ensemble zu erneuern. Vor zwei Jahren starteten die ersten Bauabschnitte. Technisch aufwendig war die Sicherung des absturzgefährdeten Kirchbergs und die Sanierung der alten Kirchenmauer, die gerade fertig gestellt wird. Auch eine neue Eingangsplattform, die künftig das Gotteshaus von Westen her erschließen soll, steht bereits. Noch im November beendet werden die Bauarbeiten an der runderneuerten Aussegnungshalle mit Urnenwand. Im nächsten Jahr wird die Gemeinde noch die Kirchtreppe vom Dorf her erneuern. Als Kernstück des Projekts startet jetzt die eigentliche Kirchensanierung. "Der Baubeginn ist uns für den 2. November angekündigt", sagt Michael Vogl. Erst wenn die Kirche renoviert ist, werden sich alle Beteiligten verständigen, wie die bedeutenden Wandmalereien künftig präsentiert werden sollen. Nur konservieren, nicht restaurieren, dafür plädiert Hacklberger. "So wenig Eingriff wie möglich."

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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