Mitten in Karlsfeld:Wohnungsnot auf dem Friedhof

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Das Platzproblem macht auch vor den Toten nicht Halt - weshalb die Gemeinde jetzt die Urnenwand erweitert

Von Gregor Schiegl

Der Tod ist das Ende aller Not, heißt es. Doch hier irrt das Sprichwort. Die Wohnungsnot macht auch vor den Toten nicht Halt. Auf dem Karlsfelder Friedhof wird der Platz knapp, in der Urnenwand sind nur noch 16 Plätze frei. Für eine 19 000-Einwohner-Gemeinde mit einer stattlichen Zahl älterer und zum Teil schon hochbetagter Menschen ist dieses Angebot nicht gerade üppig, zumal Feuerbestattungen gerade im Trend liegen. Nach einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov will sich fast jeder Zweite nach dem Tod einäschern lassen, nur noch 18 Prozent würden sich für die klassische Variante im Sarg entscheiden. Der Holzpyjama ist heute eher was für Randgruppen, für Vampire oder solche, die es gerne wären.

Und die anderen? Müssen die sich jetzt Sorgen machen nach der Devise: Lebst du noch oder wohnst du schon? Glücklicherweise nicht. Die Karlsfelder Urnenwand, die derzeit 160 Nischen umfasst, wird demnächst um weitere 80 Wohneinheiten erweitert. Das hat der Hauptausschuss des Gemeinderats am Dienstag beschlossen. Die Herstellungskosten betragen insgesamt rund 70 000 Euro. Für den Laien mag das nach einem Haufen Asche klingen, aber der Fachmann weiß, dass es im Bestattungswesen auch ganz andere Beträge gibt, man schlage nach bei König Cheops & Co. Glücklicherweise setzte der damalige Karlsfelder Friedhofsreferent Holger Linde (CSU) schon vor zehn Jahren die Einführung eines kostengünstigen "Baukastensystems" durch, das jetzt ohne große Planungskosten erweitert werden kann. Baukastensystem klingt nach Ikea, aber der Vergleich stimmt schon deswegen nicht, weil man die Urnenwand nicht mit einem Sechskantschlüssel zusammenschrauben muss.

Wirtschaftliche Erwägungen spielten aber in der Tat eine entscheidende Rolle - und damit auch soziale. Die Hinterbliebenen sollen nicht ihr letztes Hemd für einen Urnenplatz hergeben müssen. Sozialreferentin Hiltraud Schmidt-Kroll (SPD) stimmte trotz erheblicher ästhetischer Bedenken zu. Im Grunde könnte man die Urnenwand als Beitrag zum sozialen Wohnungsbau betrachten. Jetzt müsste die Gemeinde auch für die Lebenden mal ranklotzen.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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