Mitten in Karlsfeld:Einfach weg - und niemand merkt es

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Es gibt im Landkreis schon kaum mehr eine der guten alten Telefonzellen, die dem Fortschritt weichen mussten. In einer halben Stunde bauen Arbeiter einen öffentlichen Fernsprechapparat ab - einer der letzten seiner Art. Aber niemand weint ihm eine Träne nach

Kolumne von Walter Gierlich

Es gibt Dinge, deren Verschwinden man von ganzem Herzen bedauert: Schöne Häuser etwa, die durch klobige Investorenarchitektur ersetzt werden. Oder Blumenwiesen und Hecken, in denen sich Insekten und Vögel tummelten, und an deren Stelle sich heute riesige, sterile Maisäcker befinden. Andererseits fallen manche Gegenstände völlig zu Recht dem Vergessen anheim. Man denke nur an jene scheußlichen Damenblazer aus den Achtzigerjahren mit überbreiten Schulterpolstern oder an stinkende Kleinwagen mit laut tuckernden Zweitaktmotoren. Darauf verzichtet man gerne. Manches fällt aber auch einfach dem Fortschritt zum Opfer, und man würde es gerne behalten, obwohl es absolut überflüssig geworden ist. Erinnert sei nur an die Heizer auf der E-Lok, für deren Erhalt die englische Eisenbahnergewerkschaft jahrzehntelang erfolgreich gekämpft hatte. In diese Kategorie gehören auch die Telefonzellen, die man mit Münzen füttern musste und die einst für viele Menschen die einzige Möglichkeit waren, Ferngespräche mit Freunden oder Verwandten zu führen.

Als vor etwa 25 Jahren im Zuge der Privatisierung des Staatsunternehmens "Deutsche Bundespost" die nunmehr eigenständige Telekom begann, den bis dahin an belebten Orten stehenden gelben Fernsprechkabinen die neuen Firmenfarben Grau und eine Art Rosa-Violett mit dem Namen Magenta zu verpassen, gab es seinerzeit noch Proteste in der Öffentlichkeit - nicht nur von Nostalgikern. Beinahe Aufruhr, der auch Kommunalparlamente beschäftigte, erwuchs später unter Bürgern, wenn das Unternehmen mangels Rentabilität Telefonzellen ganz abmontieren wollte, da sie wegen der wachsenden Zahl von Handys immer seltener genutzt wurden. Und im Jahr 2018? Da fällt einem Radfahrer ein Lastwagen an der kleinen Grünanlage Ecke Garten- und Seestraße in Karlsfeld auf, und einige Arbeiter darum herum. Auf dem Rückweg eine halbe Stunde später ist das Fahrzeug samt Besatzung verschwunden - und mit ihm der öffentliche Fernsprechapparat, der sich dort noch befunden hatte. Einfach weg, ganz ohne größere Aufmerksamkeit. Einer der letzten seiner Art - und niemand weint ihm nach.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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