Mitten in Erdweg:Erfüllte Erwartung

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Mit fünf fürchteten die Gegner seine Wutattacken, heute ist Peter Gojowczyk bei den Australian Open im Fernsehen zu sehen

Kolumne Von Benjamin Emonts

Zu Schulzeiten, wenn man im Unterricht mal wieder nicht aufgepasst und stattdessen durch die Reihen der Mitschüler geblickt hat, stellte man sich häufig die Frage: Was wird wohl aus dieser Horde Halbstarker, Besserwisser, Weicheier und Streber mal werden? Vor dem geistigen Auge spielten sich einige Szenarien ab. Der Junge mit den Dreadlocks, der ausschließlich Bob Marley hörte und Schulhefte aus Altpapier verwendete, würde auf dem Parteitag der Grünen stehen und fordern: "Legalize it." Der abartig selbstbewusste Schnösel, der schon als Elfjähriger mit Föhnfrisur und Aktentasche ins Klassenzimmer kam, würde seine Föhnfrisur zu einem strammen Seitenscheitel gelen und als Firmengründer selbstgefällig in einem überdimensionierten Hochhausbüro sitzen, wenn er nicht gerade mit seiner Yacht über das Mittelmeer schippert. Und dann war da noch die alles wissende, andauernd aufzeigende Klassensprecherin aus der zweiten Reihe, die einen genervt anschaute, wenn man ausnahmsweise mal schwätzte. Sie, das war einem glasklar, würde selbst mal Lehrerin werden.

Natürlich kommt dann fast alles anders. Die Oberlehrerin wird zwar Lehrerin, daran führt kein Weg vorbei. Der Reggae liebende Öko aber wird Patentanwalt und der selbstbewusste Schnösel nicht Immobilienhai, sondern FDP-Politiker wie Christian Lindner, der als Schüler selbst mit Aktenkoffer rumgelaufen sein soll. Richtig sinnvoll sind derlei Zukunftsprognosen ohnehin nur im Sport. Der gebürtige Eisenhofener Peter Gojowczyk ließ schon als kleiner Bub erahnen, dass aus ihm mal ein Tennis-Profi werden würde. Im zarten Alter von fünf Jahren, als er kaum über das Netz schauen konnte, war er schon so vom Ehrgeiz befallen, dass er in heftige Wutattacken ausbrach, wenn er gegen einen fünf Jahre älteren und sechs Köpfe größeren Jungen verlor. Sie wussten damals alle, dass sie bald völlig chancenlos sein würden. Ihre Prognosen, dass Gojowczyk einst zum Profi werden würde, erfüllten sich denn auch. Erst in dieser Woche konnten sie den 62. der Weltrangliste im Fernsehen bei den Australian Open bestaunen.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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