Mitten in Dachau:Lasst den Baum im Zimmer

Beim Anblick weggeworfener Christbäume blutet sensiblen Naturen das Herz. Darum ein Neujahrsvorsatz: Man sollte einen Baum-Second-Hand-Laden eröffnen

Von Viktoria Großmann

Hans Christian Andersen gehört zweifellos zu jenen Dichtern, deren Werke selbst Berufsoptimisten umgehend in Depressionen stürzen. Entweder werden Schwanenkinder gemobbt oder es stirbt ein kleines Mädchen. Besonders traurig ist das Märchen vom Tannenbaum, der sich wünscht, einmal ein Christbaum zu werden. Sein Traum erfüllt sich, doch bald nach Weihnachten geht er den Weg alles Irdischen und wäre im Nachhinein betrachtet doch lieber im Wald geblieben.

Der Anblick ausgemusterter Bäume kann bei sensiblen Naturen den Jahresanfangsblues schwer verstärken: Wo geht es hin? Was passiert jetzt? Warum muss ich zum Neujahrsempfang der CSU? Wieso geht die Heizung nicht? Warum bin ich immer noch verkatert? - Und warum landen so fabelhaft neu aussehende Bäumchen im Gartenabfallcontainer der Landkreis-Recyclinghöfe? Manche duften noch nach Wald und Harz. Neujahrsvorsatz: Einen Baum-Second-Hand-Shop eröffnen. Irgendwer wird doch einen Baum gebrauchen können. Jemand, der später Weihnachten feiert? Orthodoxe vielleicht? Oder Holzbildhauer? Der Dachauer Stadtrat wirft den Kreisstadt-Baum vermutlich den Rathausberg-Ziegen zum Fraß vor. Die Abfallberaterin des Landkreises rät, die Bäume klein zu schneiden und Beete damit abzudecken.

Glänzende Aussichten sind das nicht für einen ehrgeizigen Tannenbaum. Warum nicht alle winterlichen und sonstigen Dreckecken mit Tannengrün überdecken? Die Koschadeklinik, das MD-Gelände. Dort könnten sie so lange bleiben, bis sie vielleicht noch einmal austreiben. Damit wäre für beide Areale eine umweltfreundliche Zwischennutzung gefunden: als Christbaumplantage.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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