Mitten in Dachau:Klassenkampf mit der CSU

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Die Landkreis-CSU fordert "Staatsbürgerkunde" für Flüchtlinge. Dabei ist dieses Fach eigentlich mit der DDR untergegangen

Von Viktoria Großmann

Auf die großen Parteien kann man sich ja nicht mehr verlassen. Wo es früher rechts, links und drüben gab, gibt es heute nur noch Mitte. Bislang dachte man aber, dass wenigstens die CSU das letzte verlässliche Bollwerk gegen linkes Gerede ist. Vorbei. Nach dem Vorbild ihres Chefs Horst Seehofer ist mittlerweile auch die Basis zu radikalen Umschwüngen jederzeit bereit. Nicht nur ein paar sozialdemokratisch angehauchte Gedanken formuliert die Landkreis-CSU in ihrem Thesenpapier "zur Zuwanderung von Migranten nach Deutschland und Bayern". Nein, sie verfolgt, man traut sich kaum, es zu schreiben, knallharte SED-Linie. Man kann es nicht anders sagen: bei der Kreis-CSU ist offenbar der Kampf für das Klassenbewusstsein ausgebrochen.

"Der CSU-Kreisverband Dachau fordert", heißt es im Papier, "einen einfachen und unkomplizierteren Zugang zu Deutschkursen und Informationen über unser Gemeinwesen (Staatsbürgerkunde)." Da könnte man jetzt mit Radio Eriwan fragen: Hieß der Politikunterricht in der DDR Staatsbürgerkunde? Antwort: Im Prinzip ja, nur hat sich die CSU noch nie besonders für andere Länder interessiert. Was man beispielsweise an dem etwas schief gelaufenen Versuch sieht, die Gymnasialzeit in Bayern auf acht Jahre zu verkürzen. Man hätte sich an gelungenen Modellen aus anderen Bundesländern (Sachsen) oder Staaten (Österreich) orientieren können. Wollte aber lieber etwas eigenes erfinden. Man kann also davon ausgehen, dass die CSU auch die Staatsbürgerkunde nicht mit Marxismus-Leninismus sondern ganz anderen Inhalten füllen wird. Denkbar wären zur Übung der freien Rede etwa ein Referat über die Entfernung vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen. Und wenn wir gerade bei Franz Josef Strauß sind, der ja in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, vielleicht noch ein Aufsatz zum Umgang mit freien Medien. Damit wäre Wesentliches über Bayern gesagt. Und mehr muss weiß Gott keiner über Deutschland wissen.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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