Mitten in Dachau:Kampf ums Schnitzel

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Wenn es ums Mittagessen geht, verstehen die meisten Menschen keinen Spaß. Besonders, wenn das Lieblingsgericht aus ist

Von Anna-Sophia Lang

Was ist die Vorfreude für ein schönes Gefühl. Dieses aufgeregte Kribbeln im Bauch beim Gedanken an das, was bald kommt. Dieses Lächeln, das sich einem unwillkürlich auf die Lippen legt. Die Spannung, die umso größer wird, je näher das sehnsüchtig erwartete Ereignis rückt. Das Objekt der Sehnsucht kann indes ein ganz Banales sein. "Die Anstalt", die nach langer Sommerpause endlich wieder ausgestrahlt wird. Das Lieblingseis, das man sich nur ab und zu gönnt. Oder, wenn es schon ums Essen geht, ein richtig gutes Mittagessen in der Dachauer Altstadt. Endlich ist der Metzger um die Ecke aus dem Urlaub zurück. Bald schon wird man in ein saftiges Schnitzel beißen. Dann der Schock: Die Schlange vor der Theke ist endlos. Die Verkäuferinnen wuseln aufgeregt hin und her. Die Hektik kann einem schon den Appetit verleiden. Dann bricht es aus einer heraus: Wenn sie es den Kollegen nie recht machen könne, komme sie eben gar nicht mehr, droht sie lautstark.

Kurz darauf der Satz, der Murren und Stöhnen unter den Wartenden auslöst: "Das Mittagessen ist aus." Jetzt gibt's nur noch Fleischpflanzerl und Leberkäs. Jetzt steht auch der eine oder andere Kunde kurz vor einem Ausbruch. Die Pessimisten hatten extra vorbestellt, bekommen also das Tagesangebot noch. Aber auch diesen Glücklichen gehen die Nerven durch, wenn sie zehn Minuten länger als ein anderer Vorbesteller warten müssen. Eine Dame kann die offensichtlich durch und durch ungerechte Verteilung der Mittagessen nicht mehr ertragen und findet den Mut zu einem schon fast protestantisch geprägten Statement: "Wer so wenig arbeitet wie du, der kann auch mal länger auf sein Mittagessen warten", zischt sie dem Mann zu, der sich gerade mit fast schon provokativem Genuss den Kartoffelsalat in den Mund schaufelt.

Noch manches ungeduldige Wort geht hin und her. Doch irgendwann beißen alle in ihr Fleischpflanzerl - Schnitzel ist doch aus - und der Stress vor und hinter der Theke scheint vergessen zu sein. Aber gut möglich ist es, dass im Kampf ums Schnitzel gute Bekanntschaften einen Knacks weg bekommen haben oder sogar langwierige Bürofehden begründet wurden.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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