Mitten in Dachau:Freiheit für die Lebkuchen!

Lesezeit: 1 min

Lebkuchen sollten nicht länger ein trauriges Dasein nur als Weihnachtsgebäck fristen. Der Mut zum Ganzjahreslebkuchen könnte endlich die leidige Debatte um den richtigen Zeitpunkt zum Verkaufsstart des Gebäcks beenden

Von Viktoria Großmann

Eine der größten Zumutungen der modernen Welt und eine der schlimmsten Anmaßungen der Lebensmittelindustrie ist die Tatsache, dass der Mensch nicht frei entscheiden kann, was er zu welcher Jahreszeit isst. Nein, kann er nicht. Es geht hier nicht um die Verfügbarkeit von Erdbeeren im Dezember und Zitrusfrüchten im Juli. Nicht um die Leistungen und Möglichkeiten von Züchtung, Anbau, Lagerung und Logistik hinsichtlich irgendwelcher Gemüsesorten. Es geht um Mehl, Honig, Hirschhornsalz, Anis und Kardamom, Nelken und Zimt. Das lässt sich alles gut lagern und gibt es zu jeder Jahreszeit.

Lebkuchen aber nicht. Freunde dieses Gebäcks freuen sich aufs Dachauer Volksfest oder das Oktoberfest, da gibt es Magenbrot. Dabei ist Lebkuchen vor allem ohne Schokoladenglasur oder Zuckerguss natürlich das ideale Sommergebäck: schmilzt nicht, zieht keine Fliegen an. Schmeckt im Freibad und anderswo allemal besser als ein trockener Butterkeks. Der Lebkuchen und auch der Spekulatius, man muss es so deutlich fordern, gehören der Weihnachtszeit entrissen. Befreit von Glühweindampf und albernen Stiefelformen sollten beide Gebäcke ihren festen Platz im Ganzjahressüßwarenregal haben. Der Mut zum 365-Tage-Lebkuchen würde endlich der Debatte um den richtigen Verkaufsstart für die sogenannten Weihnachtsbackwaren ein Ende setzen.

Montag, 29. August, im Laden in der Dachauer Altstadt: kistenweise Spekulatius und Lebkuchenherzen werden ausgepackt. Bitte! Das Freibad ist noch mehr als zwei Wochen geöffnet. Die Eisdiele noch bis Oktober. Da sollen wir schon an Weihnachten denken? Immer dieser Jahreszeitenstress, Termindruck aller Orten. Was antworten die Süßwarenhersteller seit Jahren auf diese Klagen? Die Leute wollen das doch. Stimmt. Lebkuchen ist nämlich eine der besten Erfindungen der Backhistorie. Aber dann mal Schluss mit der künstlichen Verknappung und der diskriminierenden Klingelglöckchentannenzweigverpackung. Befreit den Lebkuchen endlich vom Weihnachtsfest! Der Eismann und die Lebkuchenfrau in der Altstadt sollen sich bitte ihren Laden ganzjährig teilen. Eiscreme schmeckt nämlich auch im Winter.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: