Mitten in Dachau:Das Politische wird familiär

Lesezeit: 1 min

Warum der Dank, den die Dachauer Kommunalpolitiker auf ihrer Weihnachtsfeier besonders ihren Partnern und Familien aussprachen, eigentlich dem Amt gebührt. Und natürlich den Wählern

Kolumne Von Viktoria Großmann

Manche Paare verstehen sich so gut, weil sie sich so selten sehen. Die Kennenlernzeit verlängert sich um ein Vielfaches und somit die aufregende Zeit, bis die Langeweile einsetzt. Auch der Überdruss lässt sich so vermindern oder sogar ganz vermeiden. Es ist daher sehr förderlich für lange, glückliche Beziehungen, sich etwa einen ehrenamtlichen Stadtrat oder, wenn es denn sein muss, auch einen Oberbürgermeister auszusuchen. So gesehen war der Dank, den die Dachauer Kommunalpolitiker auf ihrer Weihnachtsfeier in diesem Jahr besonders ihren Partnern und Familien aussprachen, nicht ganz angebracht. Der Dank sollte dem Amt gebühren, das stetige Wichtigkeit und Ansehen verleiht und die Allernächsten auf gesundem Abstand hält. Und natürlich den Wählern, die es einem eingebrockt haben.

Weihnachten ist aber nun mal ein soziales Fest und kein politisches. Deshalb wird auch der Stadtrat, wenn der Haushalt glücklich verabschiedet ist, immer ganz familiär. Da zeigt sich denn, wer zu Hause mal abschalten kann oder vermutlich auch am Küchentisch weiter politisiert. Bei der CSU ist Leben, Feiern, Politik und Bayern eh ein und dasselbe, deshalb fällt es ihrem Dachauer Sprecher Florian Schiller nicht schwer, artig allen frohe Weihnachten zu wünschen und es dabei zu belassen. Zu jeder Familienfeier gehört indes der reimende Onkel. Lieblingssatz: Auf mich hört ja keiner. Deshalb redet er umso mehr. Der Freie Wähler Edgar Forster füllt mit Freude und Latein diese Rolle aus. Besinnlich wird es mit der mahnenden Ansprache von Bernhard Sturm, der mit dem Bündnis auch 2018 die Welt verbessern wird. So viel Gottesdienst muss sein. Die Rolle des Versicherungsvertreter-Vetters oder der selbständigen Schmuckdesignerin-Cousine übernimmt die TSV-Ausschussgemeinschaft im Dachauer Stadtrat Seidl/Moll, die den OB mit einer übertragbaren Dauerehrenkarte für TSV-Spiele überrascht. Den kleinen witzigen Geschwisterkobold geben die Grünen, die der Freundin des OB ein Kissen für einsame Sofastunden überreichen. Fragt sich, ob sie sich dazu das Hörspiel ausleihen darf, dass die Berufsschullehrerinnen-Tante SPD dem OB mitgebracht hat. Es handle sich um ein Satire-Stück, lautet die Erklärung.

Der OB mag sich denken, Satire ist doch jeder zweite Bauausschuss. Aber als Familienvater lächelt man und freut sich, wenn alle Kinder satt werden und sich nicht um die Geschenke prügeln.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: