Mitten in Dachau:Blödes Mist-Schönwetter

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Wer soll denn bei diesem Wetter bitteschön arbeiten können? Wenn die Sonne auf den Bildschirm scheint, wird das Büro zum Gefängnis. Selbst große deutsche Dichter schrieben bei Frühlingswetter nur Blödsinn. Die wollten auch nur: nix wie raus!

Von Viktoria Großmann

Schönes Wetter nervt. Total. Der Himmel ist blau, schon morgens singt die Amsel so dermaßen laut und frühlingsverliebt, als säße sie auf dem Nachttisch und nicht auf dem Dachfirst gegenüber, und der Nachrichtensprecher verkündet "im Süden örtlich bis zu 24 Grad". Das Problem ist: Dieses Wetter ist draußen. Und draußen ist nie weiter weg, als vom Schreibtisch eines Büros aus betrachtet.

Draußen ist eine einzige Folter, während man durch dieses Frühlingslicht, diese Frühlingsluft - diese unfassbar streichelnde, duftende, sanfte - durch diese ganzen doofen, blauen Frühlingsbänder, die da so Mörike-mäßig flattern, ins Büro rennt. Noch viel später dran als sonst, weil einen der Frühling mit seinem Geleuchte und all den neuen sprießenden Blattspitzen bei der morgendlichen Pflanzeninspektion auf dem Balkon festgenagelt hatte. Außerdem dauert das Anziehen morgens im Frühling, zumindest zu Anfang, noch länger als im Winter. Nicht wegen der 53 Schichten, sondern weil all die bereits im kalten März voller Sehnsucht angeschafften neuen Stücke einzeln ausprobiert werden müssen.

Auf dem Weg ins Büro dann: Schulkinder in Ausflugsbussen, erwachsene Menschen auf Fahrrädern in Sportkleidung - haben die alle frei, oder was? Die Dachauer Klostergrundschüler räumen ausgerechnet an diesem Tag die Altstadt auf. Pah! Was für ein fauler Trick. Die wollen einfach bei diesem Wetter nicht drinnen bleiben. Und lassen sich dafür noch loben. Vor meinem Bürofenster zwitschern sich zwei Meisen zu. Vor dem Haus sprießen - wie bei Heine - tatsächlich ein paar Veilchen. Wenn auch Hornveilchen. Es kann kein Zufall sein, dass dieses Gedicht zu den schwächsten Heines gehört. Er wollte einfach schnell fertig werden und dann nix wie 'raus. Dieses ganze liebliche Geläute stimmt mein Gemüt überhaupt nicht friedlich. Nicht hier drinnen. Am Nachmittag wird die Sonne in mein Büro scheinen, auf meinen Schreibtisch, auf meinen Bildschirm. Du blödes Mist-Schönwetter! Ich kann! So! Nicht! Arbeiten!

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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