Mitten im Dachauer Moos:Auf der Flucht vor dem Schlachter

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Das Kamerunschaf ist immer auf dem Sprung. Manchmal legt es dabei Zugstrecken lahm

Von Helmut Zeller

Das Kamerunschaf - die Altböcke bringen es auf bis zu 50 Kilogramm Körpergewicht - ist ein eher ängstliches und zurückhaltendes Tier. Nur mit ganz viel Geduld, die in der Viehhaltung jedoch selten ist, wird es "handzahm", wie der Züchter das ausdrückt. Das scheue Wesen ist in der Evolution des Beutetiers angelegt. Einige wenige glückliche Tiere werden eingesetzt, um Grasflächen abzuweiden. Solche umweltfreundlichen Tätigkeiten wie am Karlsberg sind in Dachau aber der gemeinen deutschen Ziege vorbehalten. Das Kamerunschaf ist ein Abkömmling des Westafrikanischen Zwergschafes, das etwa im Senegal ein munteres Leben führen soll. Da es hauptsächlich der Fleischerzeugung dient, ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Kamerunschaf stets auf dem Sprung zur Flucht ist.

So wohl auch am Donnerstag. Zwölf Kamerunschafe, die aus ihrem Stall geflüchtet waren, legten bei Gröbenzell am Rande des Dachauer Mooses den Zugverkehr lahm und setzten ein Großaufgebot der Bundespolizei in Bewegung. Der Lokführer hatte um 14.20 Uhr gemeldet, dass der Zug vermutlich eine Ziege erfasst hat. Daraufhin wurde die Strecke München-Augsburg gesperrt. Ein Bundespolizei-Helikopter überflog das Gelände, und die Beamten entdeckten rasch die Kamerunschafe, die sich auf den Gleisen zusammendrängten.

Bundes- und Landespolizisten versuchten die Tiere davon abzuhalten, zu einem nahen Gleisdreieck zu laufen, damit nicht weitere Strecken gesperrt werden mussten. Dann das Wunder: Die Herde konnte "zur Umkehr bewegt werden, die ziegenähnlichen Hausschafe liefen zu ihrer Stallung zurück". Wie die Beamten die ausgesprochen argwöhnischen Tiere dazu bewegten, alle Fluchtgedanken aufzugeben, erfährt man von der Bundespolizei leider nicht. War ein Verhaltensforscher dabei, oder war es die simple Androhung einer sofortigen Notschlachtung? Die Beamten verfügten jedenfalls über ein gewisses Maß an Empathie - der Helikopter war ein gutes Stück entfernt gelandet, um die Schafe nicht zu erschrecken. Um 16.28 Uhr wurde die Streckensperrung aufgehoben. Der Lokführer des Güterzugs hatte übrigens kein Tier erfasst. Alle hatten sich, von der misslungenen Flucht zwar frustriert, aber wohlbehalten ihrem Schicksal ergeben.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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