Lehrlingsmangel:Handwerkstour abgesagt

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Fünf Betriebe wollten sich am Samstag präsentieren, um Jugendliche für ihr Gewerbe zu interessieren. Die Organisatoren hatten einen Bus mit 50 Plätzen gechartert, doch es meldeten sich nur wenige Teilnehmer

Von Marie Groppenbächer, Dachau

Lehrlinge werden händeringend gesucht. Besonders in handwerklichen Betrieben fehlen Auszubildende. Um bei Schülern Interesse zu wecken, hatte die Steuerberatungsfirma SFS am Samstag eine so genannte Handwerkstour geplant. Auf diese Weise sollten Schüler sich über die Attraktivität und Vielfältigkeit handwerklicher Berufe informieren. In jugendsprachlicher Manier warb man via Facebook mit dem Slogan: "Bimst du Handwerk?" Fünf handwerkliche Betriebe aus der Region wollten ihre Türen öffnen und die Jugendlichen herumführen. Doch das Interesse war mager.

Alexander Wagner lernt Fahrzeuglackierer bei der Firma Stiller. (Foto: Toni Heigl)

Nicht einmal 25 Anmeldungen zählte die SFS für ihre Informationsfahrt. Der gebuchte Bus hätte Platz für 50 Schüler gehabt. Die Tour ist deshalb nun abgesagt. Die Enttäuschung bei Veranstaltern und Handwerkern ist groß. Die Reaktion auf das Angebot spiegelt das magere Interesse an einer handwerklichen Ausbildung unter den Schülerinnen und Schülern wider. Und es zeigt, wie schwer man sich tut, Nachwuchs auch nur anzusprechen.

An Gymnasien werde kaum Werbung für Ausbildungsberufe gemacht, klagt der Dachauer Elektrotechnikmeister, Georg Dachs, der zugleich auch Vorstandsmitglied der Elektroinnung München ist. Ganz im Sinne der Eltern stehen Studium und akademische Berufe im Vordergrund. Über die handwerklichen Alternativen werden die Schüler nur selten informiert. In der Handwerkstour hatten Dachs und auch die anderen Betriebsinhaber, die ihre Werkstätten präsentieren wollten, eine gute Möglichkeit gesehen, den Jugendlichen Berufe zu zeigen, an die sie vielleicht nicht so gedacht hatten. Außerdem hatten sie natürlich die Hoffnung, dass der eine oder andere Interesse findet.

Sebastian Zähle und Lukas Baedeker wollen Schreiner werden. (Foto: Toni Heigl)

Einer der fünf Betriebe, die am Samstag ihre Türen öffnen wollten, ist der Meisterbetrieb für Sanitär, Heizung und Spenglerei Clausen in Dachau. Betriebswirtin Brigitte Clausen beklagt den Rückgang an Bewerbern mit einem mittleren Schulabschluss. Die Anforderungen seien auf Grund hoch technisierter Heizungsanlagen sehr anspruchsvoll geworden, sagt Clausen. Deshalb brauche sie junge Leute, die gut rechnen können, zuverlässig sind und keine Angst vor schmutzigen Fingern haben.

Geselle Stephan Dick hat in der Metzgerei Gschwendtner aus Langenpettenbach gelernt. (Foto: Toni Heigl)

Nicole Wörmann, Tochter des Konditormeisters Hans und seiner Frau Regina Wörmann, berichtet zwar noch von gleichbleibenden Bewerberzahlen in den vergangenen Jahren. "Es sollten aber nicht weniger werden", sagt sie. Der Betrieb hat in Sachen Nachwuchsgewinn Glück gehabt. Seit vielen Jahren pflegt er eine Kooperation mit der Mittelschule in Indersdorf. Betriebspraktika, die fest in den Lehrplan integriert sind, bieten den jungen Leuten die Möglichkeit, einmal Backstubenluft zu schnuppern und sich im Verkauf auszuprobieren. Auch im laufenden Ausbildungsjahr konnte der Betrieb problemlos Azubis finden. Momentan lernen vier Buben in der Backstube und ein Mädel im Verkauf.

Vielen Jugendlichen kommt eine praktische Arbeit, etwa auch auf dem Bau, gar nicht mehr in den Sinn. (Foto: Toni Heigl)

Auch Metzgermeister Werner Braun ist in einer recht komfortablen Situation. Obwohl die Ausbildungszahlen im Handwerk im Allgemeinen nicht so rosig aussehen, kann er aus einer Vielzahl an Bewerbungen auswählen. Der "Genussbotschafter", wie er sich und seinen Berufsstand gerne bezeichnet, ist bekannt für seine Weißwurstseminare. Das Prestige zahlt sich aus, auch beim Nachwuchs.

Elektrotechnikmeister Georg Dachs macht aber noch ein anderes Problem zu schaffen: Es gebe zwar eine hohen Anzahl Auszubildender im Bereich der Elektrotechnik, sagt er, aber die Industrie werbe nach der Ausbildung alle guten Lehrlinge ab. "Die meisten wollen lieber in die Stadt, wo die großen Firmen angesiedelt sind und gegen ein höheres Gehalt hat auch keiner etwas", erklärt er. Viele Betriebe fragten sich schon, weshalb sie überhaupt noch ausbilden sollen, wenn investierte Zeit, Mühe und Geld nur "den Anderen" zu Gute kommt. Viele seiner Kollegen seien frustriert, so Dachs. Auch weil die jungen Gesellen, die nicht in die Industrie gehen, meist in die Meisterschule gingen, anstatt erst einmal für ihren Ausbildungsbetrieb zu arbeiten. "Früher musste man noch 24 Jahre alt sein und mindestens fünf Jahre in einem Betrieb gearbeitet haben, bevor man sich zum Meister weiterbilden konnte. Heute kann man direkt nach bestandener Gesellenprüfung die Meisterschule antreten", sagt der Dachauer Elektrotechnikmeister. Das sei eine finanzielle Einbuße für viele Betriebe.

Trotz des mageren Interesses an der Handwerkstour wollen sich Handwerker und die Steuerberatungsfirma SFS nicht entmutigen lassen. Die Kanzleimanagerin Evi Baumüller kündigt schon jetzt an, einen zweiten Versuch unternehmen zu wollen. Auch wenn jetzt nur wenige mitmachen wollten, so ist sie guter Hoffnung, beim nächsten Mal mehr Jugendliche motivieren zu können.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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