Lanzenried:Kleinod in der Einöde

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Lanzenried hat 14 Einwohner und seit 175 Jahren eine evangelische Kirche. Das wird jetzt gefeiert

Von Petra Schafflik, Lanzenried

Zwischen gelbblühenden Rapsfeldern und lehmbraunen Ackerfurchen windet sich die schmale Straße nördlich von Markt Indersdorf durch die hügelige Landschaft zum kleinen Weiler Lanzenried. Mitten auf einer Wiese, weitab von jeder Ortschaft, erhebt sich dort eine so imposante wie schlichte Kirche. Was der nüchterne Bau an überraschendem Standort nicht vermuten lässt: Das Gotteshaus, vor 175 Jahren eingeweiht, gehört nicht nur im Landkreis, sondern in ganz Oberbayern zu den ältesten evangelischen Kirchen. Eine um wenige Jahre längere Geschichte hat in der katholisch geprägten Region nur die Kirche in Kemmoden, die 1828 errichtet wurde. Das Gotteshaus in Lanzenried gehört heute zur evangelischen Gemeinde Kemmoden-Petershausen, die das 175-jährige Kirchenjubiläum von Lanzenried am Sonntag, 17. Mai, mit einem Festgottesdienst (Beginn 10.30 Uhr) und Jubiläumsfeier würdigt.

Die Kirche in Lanzenried ist eine der ältesten evangelischen Gotteshäuser in Bayern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wer die Kirche in Lanzenried betritt, blickt auf schlichte Türen, eine führt in den Gemeindesaal. Dort, wo heute die Posaunenbläser der Pfarrgemeinde jeden Montag proben und sich einmal im Monat der Seniorenkreis trifft, standen bis 1931 Schulbänke. Im Erdgeschoss der Kirche hatten die Erbauer ein Klassenzimmer eingerichtet, eine kleine Lehrerwohnung lag direkt daneben. Erst wer die Holztreppe ins erste Obergeschoss hinaufsteigt, kommt in den Betsaal. Dort leuchten die alten Holzbänke in freundlichem türkisgrün auf dem historischen Dielenboden. Wenn sich hier alle 14 Tage die Gemeinde sonntags von 9 Uhr an zum Gottesdienst versammelt, hat Mesnerin Helga Hirschler am Tag zuvor den Altar mit frischen Blumen geschmückt und Georg Weimer läutet per Hand die Glocken. Die beiden gehören zu einem kleinen Team an Ehrenamtlichen, die sich rührig um die denkmalgeschützte Kirche kümmern. Mit dem Gotteshaus sind sie eng verbunden, waren doch ihre Vorfahren unter jenen Familien protestantischen Glaubens, die ab 1820 aus dem Elsass und der Rheinpfalz in den Landkreis kamen und mit den beiden Kirchen in Kemmoden und Lanzenried den Grundstein für die heutige Gemeinde Kemmoden-Petershausen legten.

Alte Holzbänke, Altar mit Bibel, schlichter Bau: Die Kirche in Lanzenried ist eine der ältesten evangelischen Gotteshäuser in Bayern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In Lanzenried wurde damals ein ehemaliger Einödhof geteilt, zwei Familien ließen sich dort nieder, berichtet Susanne Pfisterer-Haas, die über die Geschichte der ersten protestantischen Kirchen in Oberbayern recherchiert hat und bei der Jubiläumsfeier am Sonntag einen Vortrag halten wird. Die heute noch in Lanzenried ansässige Familie Walter stiftete damals Grund für Kirche, Schule und Friedhof. Das Kirchengebäude wurde 1836 gebaut, der Unterrichtsbetrieb sofort aufgenommen. "Die Schule für ihre Kinder - das war den ersten Siedlern enorm wichtig", betont Pfisterer-Haas. In den katholischen Bekenntnisschulen jener Zeit sahen sich die Kinder protestantischen Glaubens mit Anfeindungen konfrontiert. "Luth'rischer Zipfel, steig nauf auf'n Gipfel, steig obi in'd Höll, bist am Deifi sei Gesell" - solche Sprüche hätten sich die Kinder anhören müssen. "Mit der Toleranz den Protestanten gegenüber, die unter dem ersten bayrischen König Maximilian I. herrschte, war es unter seinem Sohn Ludwig I. ab 1825 dann recht bald vorbei." Umso erstaunlicher der Kirchenbau in Lanzenried noch 1836, erklärt Pfisterer-Haas. Als Kirche geweiht wurde das Gebäude in Lanzenried erst vier Jahre nach dem Unterrichtsbeginn im neuen Schulraum, regelmäßige Gottesdienste wurden - wohl auch wegen des Widerstands aus Kemmoden - erst ab 1865 abgehalten.

Alte Holzbänke: Die Kirche in Lanzenried ist eine der ältesten evangelischen Gotteshäuser in Bayern. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Kirche in einer Einöde, in der auch heute nur 14 Bürger auf vier Anwesen leben. "Unglaublich", sagt Pfisterer-Haas. Doch den protestantischen Neusiedlern rund um Lanzenried sei der zwölf Kilometer weite Weg zur Kirche in Kemmoden, das nördlich von Jetzendorf im Nachbarlandkreis Pfaffenhofen liegt, wohl auf Dauer einfach zu weit gewesen. Nur deshalb wurde über dem Schulraum im zweiten Stock der schlichte Betsaal eingerichtet. Hinter der Kirche, über der ein Dachreiter als Glockenturm fungiert, werden auf dem kleinen Friedhof noch heute Bewohner von Lanzenried und Umgebung zur letzten Ruhe gebettet. Ein evangelischer Friedhof sei eine Rarität, betont Pfarrer Peter Dölfel. "Kemmoden und Lanzenried sind die beiden einzigen evangelischen Kirchen in Oberbayern, die eigene Friedhöfe haben." Und bald schon wird die evangelische Kirchengemeinde an der nördlichen Landkreisgrenze um eine Rarität reicher sein. Gerade wird in Petershausen eine neue Kirche errichtet, so dass in Kemmoden-Petershausen bald nicht nur zwei der ältesten, sondern auch das jüngste evangelische Gotteshaus in Oberbayern stehen wird. Sehr zur Freude von Pfarrer Peter Dölfel, der eine gegen den allgemeinen Trend ständig wachsende Kirchengemeinde betreut.

Das 175-jährige Kirchenjubiläum in Lanzenried feiert die Gemeinde Kemmoden-Petershausen mit einem Festgottesdienst (10.30 Uhr) mit Dekan Uli Seegenschmiedt und anschließendem Empfang. Nach dem Vortrag (16 Uhr) von Susanne Pfisterer-Haas über "Lanzenried im Reigen der ersten protestantischen Kirchen in Oberbayern" beendet eine gemeinsame Andacht den Festtag. Den Weg zum Fest legen sportliche Gemeindemitglieder gemeinsam zurück, auf einer "Tour de Lanzenried" fahren die Gläubigen von verschiedenen Ortschaften aus per Fahrrad zur Kirche in Lanzenried. Abfahrtspunkte und -zeiten dieser Radtour zum Kirchenjubiläum unter www.petershausen-evangelisch.de.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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